Bei mir und meinem Diabetes läuft es gerade ganz gut. In gut einem Monat ist meine Probephase mit der Minimed 640g und dem Enlite-Sensor vorbei und weil ich dieses System unter keinen Umständen hergeben möchte, bin ich momentan ziemlich diszipliniert. Meine „Hoch-Grenze“ habe ich mittlerweile auf 160 mg/dl heruntergeschraubt und Werte über dieser Grenze kommen jetzt eher selten vor. Und trotzdem habe ich sehr viel weniger Unterzuckerungen. Ich bin also zufrieden und glücklich.
Außerdem fokussiere ich mich momentan mehr auf die Uni und in meiner Freizeit habe ich einen zweiten Blog (mehrzeilig.de) gestartet. Ich fand einfach, dass ich an meiner Diabetes-Life-Balance arbeiten musste.
Seit meinem ketoazidotischen Koma 2013 drehte sich fast alles um meinen Diabetes. Er nahm sehr viel Platz ein. Zu viel, wie ich in letzter Zeit merkte. Und trotzdem, oder vielleicht sogar gerade deswegen läuft es mit meinem Werten jetzt echt toll.
Aber es kann so viele andere Dinge geben, die einen manchmal nerven, wenn man eine chronische Krankheit hat und dabei muss die Krankheit nicht mal selbst die Schuld tragen.
So geschehen die letzen Tage bei mir.
Neben der Uni arbeite ich momentan noch in einem kleinen Nebenjob. Dort arbeite ich zusammen mit Menschen, die aus der Pflege oder dem Rettungsdienst kommen. In den letzten Tagen passierte es dann öfters, dass sich Dialoge wie dieser entwickelten:
„Ist das eine Insulinpumpe?“
„Ja“
„Was, so schlimm Diabetes?“
„Naja, Typ 1 Diabetes“
„Ja, aber so jung schon Insulin?“
gefolgt von Sprüchen wie: „Ich bekomme das bestimmt auch, ich esse so viel Süßes“.
Ihr kennt das. Versteht mich nicht falsch. Ich mag diese Menschen und ihre Unwissenheit ist nicht ihre eigene Schuld. Ich kläre die Leute gerne auf und freue mich, etwas für das Bewusstsein für Diabetes getan zu haben. Aber wenn es wirklich, wochenlang passiert, dann entschuldigt mich, dass ich irgendwann genervt bin.
Situation 2
Letzte Nacht verabschiedete sich dann mein Sensor. Immer wieder schlug meine Pumpe in der Nacht Alarm, weil ich eine Unterzuckerung hatte. 69Mg/dl. Weil ich aber kein Insulin aktiv hatte und die Pumpe seit geraumer Zeit ausgeschaltet war, drückte ich einfach auf „ok“ und drehte mich um. Das war mein Fehler. In dieser Situation bin ich selbst Schuld, dass mich meine Pumpe zur Weißglut trieb und ich sie am liebsten abgerissen und weggeschmissen hätte.
Immer wieder kam der Alarm vor und bei niedrig. Im Halbschlaf drücke ich einfach auf der Pumpe herum und schlief weiter. Das ganze zog sich ca. eine Stunde so hin und ich wurde wirklich langsam aggressiv. Endlich fasste ich mir ein Herz und teste meinen Blutzucker. 150 mg/dl. Also stellte ich die Pumpe wieder an, gab eine Korrektur ab und drehte mich, in der Hoffnung nun endlich schlafen zu können, um. Kaum 30 Minuten später meldete sich wieder meine Pumpe. 65Mg/dl. Also testete ich wieder meinen Blutzucker. 140 mg/dl. Da ich sowieso um 4 Uhr kalibrieren musste (mein Fehler, ich war zuvor zu faul) kalibrierte ich mit den 140 mg/dl, denn in 10 Minuten war es sowieso 4 Uhr. Und was passierte dann? Um 4 Uhr meldete sich meine Pumpe und wollte kalibriert werden. Was? Das hatte ich doch gerade erst getan? Aber der Wert war weg. Also testete ich erneut:129 mg/dl und kalibrierte damit. 10 Minuten später bekam ich dann die Meldung, dass der Sensorwert nicht verfügbar wäre. Da reichte es mir endgültig und ich riss den Sensor ab und steckte den Transmitter auf die Ladestation. Dann lieber den Rest der Nacht ohne Sensor schlafen.
Am Morgen startete ich den Sensor neu. Ich wollte es noch mal mit ihm probieren und zunächst klappte es dann auch.
Der Moment, in dem mir der Kopf rauchte
Gegen Mittag saß ich gerade in der Uni, in einer Vorlesung im großen Hörsaal. Gerne setze ich mich immer nach vorne, damit ich gut hören und sehen kann. Da der Hörsaal aber bereits voll war, musste ich mich in die erste Reihe, direkt vor dem Sprecherpult der Professorin, setzen.
Na gut, mich störte das nicht groß.
Nach gut einer Stunde Vorlesung vibrierte meine Pumpe erneut ohne Unterlass. Und wieder zeigte sie mir 69 mg/dl an. Da ich absolut nichts merkte, teste ich meinen Blutzucker der, wie schon in der Nacht, bei 150 mg/dl lag (hat mein Blutzucker gerade Spaß an vollen Zahlen? :D). Etwas genervt schaltete ich die Unterbrechung der Pumpe also wieder aus und gab einen Bolus ab.
In dem Moment drang es aus den Lautsprechern zu mir: „Wenn sie schon so weit vorne sitzen, dann hören sie mir auch zu und beschäftigen sich nicht mit ihren Gerätschaften“. Ich blickte sofort nach vorne. Meine Professorin befand sich wieder mitten in ihrer Vorlesung. Was? Ein paar Leute blickten mich an und mein Kopf wurde knallrot. Nicht vor Schwarm sondern vor Wut.
Selten hatte ich einen Professor erlebt, der sich wirklich darum scherte, was die Studierenden während der Vorlesung trieben, es war ja nicht seine Aufgabe uns durchzubringen, aber noch viel mehr regte mich auf, dass ich in diesem Moment vor hunderten Studierender umsonst „angeschnauzt“ wurde. Für etwas, das für mich essentiell war und sicherlich nichts mit „aufpassen“ oder „ablenken“ zutun hat. So hatte ich bisher ein dreiseitiges Skript mit geschrieben. Und meine „Gerätschaften“ waren meine Insulinpumpe. Herrgott. Ich wünschte ich hätte in dem Moment etwas sagen können. Am liebsten wäre ich tatsächlich einfach aufgestanden und gegangen. Aber da ich in der Mitte der Reihe saß, wollte ich nicht unbedingt noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Dennoch dauerte es den Rest der Vorlesung und meinen Heimweg, bis meine Wut verdampft war.
Da benimmt sich mein Diabetes so vorbildhaft, wir harmonieren und ich habe keinen Grund mich aufzuregen, da passieren solche Dinge.
Wenn mich etwas aufregt, dann Leute, die Vorurteile gegen mich hegen, obwohl sie keine Ahnung haben. Sie hat sicherlich nicht Medizin studiert und konnte auch nicht ganz sehen, was ich da mache. Trotzdem fand ich es blöd. Wir sind erwachsen, ich sitz in der Vorlesung und ich habe niemanden (auch nicht sie) gestört. Und selbst wenn ich in der Vorlesung sitze und nicht aufpasse, ist das am Ende mein Problem
Nennt mich kleinkariert, aber mich hat es wirklich wütend gemacht. Normalerweise bin ich sehr gelassen, was meinen Diabetes in der Öffentlichkeit angeht. Ich rege mich nicht sonderlich schnell auf. Nur wenn es mir zu viel wird, kann ich es nicht mehr ganz verbergen. Und das war nun wirklich der Fall. Wie sagt man so schön? Das Maß war voll. Und mein Diabetes konnte nicht einmal etwas dafür.
Schreibe einen Kommentar