Es ist mal wieder so weit. Es ist Nikolaus! Für mich hat dieser Tage jedoch noch eine ganz andere Bedeutung, denn heute vor 17 Jahren bekam ich meine Diagnose: Typ 1 Diabetes. Jahrelang wusste ich gar nicht mehr, wann ich eigentlich Diabetes bekommen habe. Klar, das Jahr wusste ich, aber der Tag? Warum sollte ich mir das auch merken. Für meinen Blog und meine eigene Geschichte habe ich dann angefangen zu recherchieren. Dabei stieß ich auf fast alle Unterlagen, die ich vom Arzt und aus Krankenhäusern mitbekommen hatte.
Hatte es mich Jahrzehnte nicht interessiert, fand ich es jetzt umso spannender. Gerade die Erinnerungen aus Kindheit und Pubertät sind ja doch oft getrübt. Ich fand einiges, das sich mit meinen Erinnerungen deckte, ein paar Dinge, die mir meine Mama erzählt hatte, aber auch Neues fand ich über mich selbst heraus.
Heute möchte ich euch mitnehmen auf eine kleine Zeitreise. Gehen wir zurück ins Jahr 1999 und gucken uns an, wie damals die Diagnose Typ 1 Diabetes bei einer 10-jährigen verlief. Eine Zeitreise in Bilder.
1999
Zuerst fand ich meinen alten Diabetes-Pass. Zugegeben, viel steht da nicht drin. Mir fiel nur gleich mein Gewicht auf. Eine Sache, auf die ich persönlich genau geachtet habe, während meiner Zeitreise. Damals wog ich 22kg und ich weiß noch, dass ich zu der Zeit unbedingt zunehmen wollte. Nachdem wir für eine Matheaufgabe in der Schule unser Gewicht verraten sollten, schämte ich mich für meine 22kg. Jeden Morgen stand ich auf der Waage und weinte oft am Frühstückstisch, weil ich nicht zunahm. Meine Eltern machten sich zwar Gedanken, dachten aber auch nicht an Diabetes, denn ich war schon immer sehr dünn gewesen. Bei meiner vorzeitigen Geburt wog ich weniger als die Hälfte, die mein Bruder bei seiner Geburt gewogen hatte.
Noch am selben Tag, an dem mein Kinderarzt die Diagnose stellte, wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert. Dort sollte ich ganze 4 Wochen bleiben, zusammen mit meiner Mama. Da aber Weihnachten vor der Tür stand, durfte ich zwar erst nur zur Probe nach Hause, aber als da alles gut klappte, musste ich nur noch einen Tag zur Besprechung zurück.
Ich lernte im Krankenhaus wie ich mir das Insulin mit einer Einwegspritze verabreichen konnte. Dazu bekam ich zwei Insuline. Mein Basalinsulin musste ich natürlich abends und morgens spritzen. Bevor ich es in die Spritze aufzog, musste man es gut schwenken oder in der Hand rollen. Dann wurde es ganz trüb und etwas wärmer. Es kam ja gerade aus dem Kühlschrank. Ich zog mein Basalinsulin und das „Altinsulin“ zusammen in eine Spritze und mischte es. Ich fühlte mich dabei immer wie ein richtiger Arzt. Danach wurde die Hautstelle desinfiziert, eine Hautfalte gebildet, die Spritze im 90° Winkel eingeführt und 3 Sekunden lang gewartet. Nach dem Herausziehen wurde die Stelle erneut abgetupft. Warum unter diesem Bericht steht, dass ich mit dem Pen spritze, weiß ich allerdings nich t:D. Das nervige mit diesem Insulin und dem Plan war, dass ich feste Zeiten hatte, zu denen ich essen musste. Und auch die Menge war vorgeschrieben. Oft hatte ich keinen Hunger, wenn ich essen sollte und die erste Zwischenmahlzeit fiel genau in die große Pause in der Schule. Ich durfte dann erst aus dem Klassenraum gehen, wenn ich alles aufgegessen hatte. Vielen waren neidisch, weil ich im Klassenzimmer bleiben durfte, aber ich fand das ganz schön blöd von den anderen abgesondert zu werden. Immerhin durfte ich mir jedes Mal jemanden aussuchen, der bei mir blieb. Das wollten dann irgendwie immer alle. Ich verstand das nie 😀
Außerdem steht auch dort schon, dass mein Herz untersucht wurde, aber nichts gefunden wurde. Meine Mama hatte schon immer das Gefühl, dass mit meinem Herzen etwas nicht stimmte. Als Baby brachte sie mich noch nach Bad Oeynhausen, in die Herzklinik, aber auch dort fand man nichts. Erst letztes Jahr wurde durch Zufall ein angeborener Herzfehler entdeckt. Mittlerweile hat mein Körper aber gute Wege gefunden, um diesen zu kompensieren. Dennoch werde ich auch da wahrscheinlich noch irgendwann operiert werden müssen.
So sah damals mein erster Spritzplan aus, als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich war natürlich noch in der Honeymoonphase und brauchte als Kind sowieso nicht viel Insulin. Korrektur- und Kohlenhydratfaktoren kannte ich damals noch gar nicht. Wenn ich den Plan heute sehe, muss ich zugeben, dass ich fast etwas nervös werde und schwitzige Hände bekomme. Feste Einheiten zu festen Werten, ohne die Faktoren zu bekommen – ein Glück, dass das mittlerweile vorbei ist.
Dennoch ist dieser Plan so sehr in meinem Kopf verankert, dass ich ihn noch heute auswendig kann. Zumindest die BEs und Essenszeiten.
2001
Springen wir etwas vor, ins Jahr 2001. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich schon nach ein paar Monaten auf den Pen umgestellt wurde. Aber nein, es waren tatsächlich gut 1,5 Jahre in denen ich mir das Insulin noch mit Spritzen spritzte.
In den Sommerferien 2001 wurde ich dann stationär auf den Pen umgeschult. Wahnsinn, das ist ja fast wie die Umstellung auf die Pumpe. Leider war das komplett aus meinem Gedächtnis verschwunden. ich dachte, ich hätte den Pen irgendwann einfach ambulant in die Hand gedrückt bekommen. Aber ich wurde nicht nur auf den Pen umgestellt, sondern auch auf ein anderes Insulin. ein Insulin, das nicht mehr vom Schwein kam und eine so kurze Wirkdauer hat, dass ich es direkt vor dem Essen spritzen konnte und ab sofort keine festen Essenszeiten mehr hatte. Der Wahnsinn! Die heutige ICT-Therapie (intensivierte Insulintherapie).
Mit dem Pen wurde ich aber schnell nachlässig. Was nicht unbedingt mit dem Pen zutun hatte, sondern wohl viel mehr mit dem Altern in das ich langsam kam. Irgendwann spritzte ich sogar durch die Hose und natürlich immer nur in die Oberschenkel (don’t try this at home, kids!).
2004
Die letzte Station unserer Zeitreise befindet sich im Jahre 2004. Damals war ich 15 Jahre alt und wurde mittlerweile in Hannover behandelt. Meine Ärztin in Minden fand leider auch keine dauerhafte Lösung für meine vielen nächtlichen Unterzuckerungen und als wir von Prof. Dr. Danne hörten, wechselten wir nach Hannover. Dort sahen die Zettel, die ich mitbekam schon ganz anders aus. Anhand der Zettel habe ich auch herausgefunden das ich 2003 jeden Monat ein Kilo schwerer geworden bin. Das waren dann in einem Jahr 11 Kilo. Zwar war ich vorher immer zu dünn gewesen, nun blieb ich aber nur ganz kurz im „Normalgewicht“ bevor es leider zu viel wurde. Auf diesem Zettel habe ich gerade mein Normalgewicht erreicht. 3 Monate später wog ich dann auch schon wieder 3 kg mehr. Zu der Zeit war auch mein HbA1c schon ziemlich miserabel, was aber auf die vielen Unterzuckerungen zurückzuführen war. Ihr kennt das: Nachts unterzuckern heißt oft den nächsten Tag mit hohen Werten verbringen. So war das auch bei mir.
Danach fing es an, das ich immer weniger zum Diabetologen ging. Zwar suchte ich mir noch mit 18 einen Diabetologen für Erwachsene, fuhr dann aber oft einfach woanders hin, wenn ich meinen Eltern erzählte, ich hätte einen Termin.
Zu der Zeit trug ich noch eine Inslinpumpe zur Probe, die mir aber mehr aufgeschwatzt wurde, als dass ich sie selbst tragen wollte. Nach den drei Monaten wurde sie nicht genehmigt – genau das war auch mein Plan gewesen. Und so gab ich sie wieder ab und war fortan nicht mehr bei meinem Diabetologen gesehen.
Erst 2013 brachte die Wende.
Ich fiel ins Koma und erkannte endlich, dass es so nicht weitergehen kann. Seitdem habe ich eine neue Diabetologin, zu der ich regelmäßig gehe und ich trage mittlerweile sogar eine Insulinpumpe. Ich interessiere mich wieder für meinen Diabetes und meinen Körper und versuche meinen HbA1c – und noch viel wichtiger – meine schwankenden Werte in den Griff zu bekommen.
Für mich war es wirklich enorm wichtig, diese Unterlagen durchzusehen. Es hat mir meinen Diabetes wieder sehr viel näher gebracht und ich glaube, ich habe dadurch einiges in der Vergangenheit aufarbeiten können, was mich unterbewusst vielleicht immer noch beschäftigt hat. So konnte ich mit mir und meiner Diabetesgeschichte ins Reine kommen. Und das ist ein wichtiger Schritt, um meine Diabetes-Therapie heute aktiver in die Hand zu nehmen.
Auf die nächsten 17 Jahre!
Liebe Lisa,
vielen Dank für diesen tollen Artikel und den Einblick in dein Leben mit Diabetes. Es kann nicht genug dieser Artikel geben, die allen anderen Mut machen und zeigen, dass nicht immer alles glatt läuft, es aber wichtig ist, dass wir unsere Motivation nicht verlieren.
Vor einiger Zeit habe ich auch einen ähnlichen Rückblick gemacht.
Wenn es dich interessiert, kannst du ihn hier auf meinem Blog nachlesen
http://fliegende-fische.net/frueher-war-alles-besser-warum-das-fuer-menschen-mit-diabetes-nicht-zutrifft/
Für die nächsten 17 Jahre wünsche ich dir Motivation und Zufriedenheit für deinen Alltag mit Diabetes.
Herzliche Grüße
Ina