Für diesen Post habe ich mir einige Zeit gelassen. Unter anderem, weil ich mir gar nicht sicher war, ob das hier hin gehört. Aber dann dachte ich, es geht hier ja überwiegend um mich und meine Gesundheit – und da zählt ja nicht nur der Diabetes dazu.
Einsteigen möchte ich mit einer kleinen Geschichte.
Letztes Wochenende war ich auf einem Konzert meiner Lieblingsband, die Foo Fighters. Es war ein wirklich tolles Konzert, dass ich von unseren Unterrangplätzen in vollen Zügen genießen konnte. Anders war es vor einem halbe Jahr, als ich die Foo Fighters schon einmal sah:
Vor einem Jahr stand fest, dass die Foo Fighters ein Konzert in Hamburg spielen würden und ich besorgte mir natürlich sofort Karten. Denn seit über 10 Jahren war es ein Traum von mir, die Band live zu sehen.Ein halbes Jahr später war es endlich soweit, das Konzert stand an. Leider lag ich schon fast zwei Wochen flach und eine Besserung war nicht wirklich zu erkennen. Ich hatte starke Magenprobleme, musste mich öfters übergeben und hatte keinen Appetit. Ich war schlapp und Lustlos.
Eigentlich deutete so ziemlich alles auf eine Ketoazidose hin – aber meine Werte waren gut und Ketone konnte ich auch nicht nachweisen.
Dennoch hielt mich das nicht auf, zu dem Konzert zu fahren. Immerhin hatte ich über 10 Jahre gewartet und viel zu viel Geld für die Karten ausgegeben.
Wir fuhren um 5 Uhr morgens los, denn wenn ich schon die Möglichkeit hatte die Foo Fighters live zu sehen, dann bitte auch aus der ersten Reihe.
Wir kampierten tatsächlich 10 Stunden vor der Halle. Zum Glück waren wir nicht alleine und hatten eigentlich eine Menge Spaß, wenn es mir nicht nur so schlecht gegangen wäre. Immer wieder fragte ich die Security ob ich kurz in die Halle auf die Toilette konnte und der Durchgang wurde mir sogar gewährt.
Ich hielt aus. Nachdem der Einlass begann, schafften wir es sogar in die erste Reihe. Ich war überglücklich. Dort stand ich noch ungefähr eine Stunde. Kurz bevor die Vorband anfing, konnte ich mich einfach nicht mehr auf den Beinen halten. Mein Freund stütze mich und schaffte mich aus der Halle zu den Sanitätern. Dort erklärte ich ihnen meinen Zustand. Sagte auch, dass ich Diabetes habe, da aber alles in Ordnung sei. Ich wurde prompt auf eine Liege verfrachtet und bekam intravenös Schmerzmittel und Flüssigkeit. Die Vorband sah ich über einen Monitor. Na klasse! War das alles umsonst und würde ich die Foo Fighters jetzt nur auf einem mitkriegen Fernseher sehen? So stellte ich mir das nicht vor!
Sobald der Tropf durchgelaufen war erklärte ich allen, dass ich zurück wollte. Die Sanitäter waren so davon beeindruckt (nein, es war wohl eher Mitleid :D), dass ich bereits den ganzen Tag hier gesessen und gewartet hatte, das sie mir halfen von der Bühne aus wieder in die erste Reihe zu kommen. Es klappte!
Ich sah die Foo Fighters aus der ersten Reihe, ich heulte Rots und Wasser, sang, schrie und hüpfte quasi um mein Leben. Aber das ganze Konzert hielt ich es nicht aus. Noch bevor die Band zum Ende kam mussten wir die Halle erneut verlassen. Ich war einfach zu kaputt. Aber ich hatte sie gesehen. So nah! Ich war so glücklich.
Die Woche darauf musste ich ins Krankenhaus.
Man hatte bei einer Untersuchung Anomalien an meinem Herzen festgestellt und wollte dem nachgehen.
Diese Woche ließ ich viele Untersuchungen über mich ergehen. Zuerst bekam ich ein Langzeit-EKG, wurde geröntgt, ein Ultraschall wurde vorgenommen und Ich musste zum Schluck-Echo. Dabei wird man in eine kleine Narkose versetzt und der Arzt geht dann mit einer kleinen Kamera durch den Hals in die Nähe des Herzens.
Überall sah es etwas komisch aus und auf mein Nachfragen bekam ich von jedem Arzt eine andere Antwort. Alle waren sich nicht sicher, wollten erst Bestätigungen ihres Verdachts. Ich wäre beinahe durchgedreht und verrückt geworden. Jeden Tag kamen die Ärzte mit neuen Untersuchungen, die Licht ins Dunkel bringen sollten.
Als letztes wurde dann eine Herzkatheteruntersuchung vorgenommen. Dabei ist man (leider) bei vollem Bewusstsein. Nur eine kleine lokale Betäubung im Beim. Dann ging der Arzt an meiner rechten Leiste erneut mit einer Kamera hoch zu meinem Herzen. Ich sage euch, lustig war das nicht. Jedes Mal wenn er mit dem Ding an mein Herz kam, machte das solche Sprünge, dass ich dachte es springt mir gleich aus der Brust. Zudem konnte man wirklich fühlen, wie dieses Ding vom Beim hoch zum Herzen geschoben wurde. Noch mal brauche ich das wirklich nicht.
Auch danach bekam ich eine erneute Diagnose.
Diese beruhigte mich aber erst mal sehr.
Man erklärte mir endlich, dass man zuerst erhöhte Leberwerte vorfand. Als meine Leber dann bei einem Ultraschall untersucht wurde, sah man, dass die Vene zur Leber auffällig dick war. Als man ihr folgte, kamen sie irgendwann zum Herzen. Auch da sah die rechte Herzkammer viel zu dick aus. Zu dem Zeitpunkt hörte ich schon etwas von einem ‚Herzfehler‘. Mehr wollte man mir dazu aber noch nicht sagen und ich hatte solche Angst in dem Moment, dass ich auch gar nicht mehr fragte und all das über mich ergehen ließ.
Zwischendurch erklärte mir der Stationsarzt, dass er nun davon ausgehe, das ich an einem angeborenen Herzfehler leide. Dem Scimitar-Syndrom. Normalerweise hat jeder Mensch zwei Venen zwischen Herz und Lunge. Das Herz pumpt Blut durch die eine Vene in die Lunge. Dort wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und geht dann durch die zweite Vene zurück zum Herzen. Jede dieser Venen endet in einer der beiden Herzkammern. Diese zweite Vene sollte nun bei mir fehlen.
Nach der Herzkatheteruntersuchung wurde mir gesagt, dass der Druck auf dem Herzen und der Lunge zwar vorhanden sei, aber weitaus geringer als zuvor angenommen. Dadurch, dass ich auch keinerlei Beschwerden habe, würde man erst mal nichts weiter unternehmen. Dennoch soll ich mich ein Mal im Jahr einer Kontrolle unterziehen.
Ich verließ also total erleichtert das Krankenhaus. Zu Hause las ich dann den Brief. Dort stand, dass das Scimitar-Syndrom weder richtig bestätigt werden konnte, noch dass es aus der Welt geschafft werden konnte – so verstand ich es.
Als ich den Brief mit zu meiner Diabetologin nahm, erklärte sie mir das Ärzte-Kauderwelsch ganz genau:
Diagnose Scimitar-Syndrom
Da man dies aber von Geburt an hat und bei mir unentdeckt blieb, ließ sich mein Köper etwas einfallen. Er vergrößerte die einzige Vene die er hatte um den Duck standzuhalten und meine rechte Herzkammer tat dasselbe.
Damit konnte ich bisher gut Leben, ohne große Probleme zu haben. Es erklärt aber warum ich schon immer Probleme mit dem Wärmeaustausch im Körper habe. Als Baby lief ich immer sofort blau an und schrie und weinte, wenn meine Mama mich wickelte. Daraufhin vermutete sie schon damals einen Herzfehler und ließ mich in Bad Oeynhausen untersuchen. Man fand aber nichts.
„Nun ja, 1989 hatte man noch nicht so diese Möglichkeiten wie jetzt“.
Außerdem würde es auch erklären, warum ich trotz regelmäßigem Sport sehr schnell aus der Puste bin. Denn auch die Lunge steht durch den Mangel an der einen Vene unter erhöhtem Druck.
Alles Dinge, mit denen ich eigentlich gut Leben kann.
Das einzige was mir anscheinend hin und wieder zu schaffen macht, ist der Sauerstoffmangel im Blut. Dadurch, dass eine Vene fehlt, vermischt sich das Blut, welches aus der Lunge mit Sauerstoff kommt, wieder mit dem Blut, dass erst noch bei der Lunge vorbei schaut.
Das Scimitar-Syndrom ist heutzutage keine große Sache mehr.
Bei einer OP wird die Vene einfach umgeleitet. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird mir das irgendwann bevorstehen. Danach können die Patienten ein völlig normales Leben führen. Deswegen die jährliche Kontrolle. Aber solange ich mich gut fühle, wolle man erst mal nichts unternehmen.
Meine Diabetologin meint, wenn ich will, sollte ich noch mal nach Bad Oeynhausen in die Herzklinik gehen, aber ich habe so Angst vor OP’s, dass ich damit erst mal warten werde. Zumindest noch dieses letzte Jahr in meinem Studium.
Nun habe ich zu meinem Diabetes also noch eine Diagnose.
Dennoch bin ich beruhigt, dass es nichts „schlimmeres“ ist. Die kleinen Probleme, die ich damit habe fallen nur gering auf und schränken mich eigentlich gar nicht ein. Irgendwann, dass weiß ich, muss ich wohl noch mal unters Messer, aber das ist heutzutage so ein ruinierter Eingriff, dass ich auch davor keine Angst haben muss.
Ich bin nur froh, dass ich endlich weiß, was mir fehlt.
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