Letzte Woche hatte ich in der Uni ein Seminar: „Stressmanagment“. Fast neun Stunden haben wir uns damit beschäftigt, was Stress auslösen kann, was er für jeden einzelnen bedeutet und wie man damit umgehen kann. Ich dachte zunächst noch, dass ich lerne, was ich bei meinen Tages- und Wochenplänen verbessern kann. Das habe ich jedoch nicht gelernt. Dafür habe ich eine Menge über mich selbst erfahren. Nein, halt. Auch falsch. Ich bin jemand, der bestimmt mehr als die Hälfte des Tages damit verbringt sich selbst zu reflektieren. Ich kenne mich und meine Probleme ganz gut. Leider habe ich einfach viele, viele Jahre damit verbracht die Dinge falsch anzugehen. Was ich nicht wusste war, wie ich richtig mit meinen Gedanken und auch Problemen umgehen kann.
Alles beginnt im Kopf

Äußere Stressfaktoren lassen sich meistens nicht unbedingt beeinflussen. Die Klausur muss eben an dem und dem Tag geschrieben werden, der Abgabetermin für einen Artikel kann nicht nochmal verschoben werden und auch die Hausarbeit muss selbst geschrieben werden. Das sind Tatsachen. Mit guter Planung, Disziplin und Organisation kann man hier natürlich ansetzen und den großen Knall am Ende eventuell verhindern. Aber eben nur eventuell.
Was ich gelernt habe ist, dass es zu den äußeren „Stressoren“ auch persönliche Stressverstärker gibt. Eine Psychologin machte mit uns einen Persönlichkeitstest, um zu ermitteln, welche unsere persönlichen Stressverstärker sind.
Meine waren mir eigentlich schon vorher bewusst und so kam genau das heraus, was ich vermutet hatte. In meinem Kopf dreht sich alles um den Satz „sei perfekt!“. Außerdem möchte ich auch „beliebt sein“. Meine größten Bedenken äußern sich eher in der Formulierung „Das kann ich nicht!“
Gut, ich habe also schwarz auf weiß, was mich in meinem Kopf permanent umhertreibt. Aber was mache ich jetzt damit?
Gegenmaßnahmen

Zuerst sollten wir uns eine Art Gegenformulierung suchen, mit der wir uns wohl fühlen und die an unseren persönlichen Stressverstärkern ansetzt. Ich habe mir also Sätze wie „niemand ist perfekt“ und „was ist überhaupt perfekt?“ überlegt. Am Ende war es jedoch „Ich gebe mein Bestes und ich achte auf mich“, was mich absolut gekriegt hat. Diesen Satz soll ich mir nun immer ins Gedächtnis rufen, wenn ich mich wieder mit meinem Perfektionismus stresse. Bei der Sache mit der Beliebtheit entschied ich mich für „ich darf auch „nein“ sagen.“ Und bei „das kann ich nicht“ wurde es „ich nehme es als Herausforderung“.
Zeit & Arbeit

Uns wurde erklärt, dass solche Einstellungen wie wir sie fast alle in dem Seminar hatten, jahrelang in unseren Köpfen gereift und verankert sind. Es bedeutet viel Arbeit – und zwar keine leichte, aus diesen Mustern auszubrechen. Persönlichen Stressverstärker, Gedanken wie „ich muss perfekt sein“ muss man geduldig abtrainieren – sofern man das denn überhaupt möchte.
Schnell entbrannte die Diskussion, ob solche Gedanken nur negative Ansätze haben und ob es erstrebenswert ist all diese Gedanken komplett aufzugeben.
Antwort: Nein! Auch wenn man sich selbst tierisch unter Druck setzt, gibt es auch positive Aspekte, die man immer mitberücksichtigen sollte. So wurde schnell klar, dass ein Satz wie „ich muss perfekt sein“ zwar unrealistisch und stressig ist, er fordert einen aber auch heraus das Beste zu geben. Auch sollte man sich nicht komplett ändern. Jeder Mensch ist so, wie er ist und das ist gut so. Wenn er aber merkt, dass er sich selbst im Weg steht und er diese Tatsache selbst ändern möchte, weil er damit unglücklich ist, dann sollte er es anpacken. Wenn ihn so etwas eher anspornt als zu stressen, dann kann er auch so weitermachen.
Ein Beispiel: Niemand denkt immer nur positiv. Wenn du unbedingt die Bahn erwischen musst und sie nur kurz verpasst, dann kannst du noch so ein positiver Mensch sein. Deine erste Reaktion wird wahrscheinlich trotzdem eher „MIST!“ lauten, als dass du dich über die fünf Minuten gewonnene Freizeit an der Haltestelle für die nächste Bahn freust: „Yay, ich habe meine Bahn verpasst, was für eine tolle Chance!“ Das tut doch niemand.
Motivationssprüche for president – genau so tiefgründig wie Trump

Noch während des Seminares erschien dieser Beitrag vor meinem inneren Auge. Denn seit längerem möchte ich darüber sprechen, dass ich Motivations-Zitate echt furchtbar schlimm finde. Die bisher geschriebenen Worte dazu waren mir allerdings zu negativ. Das wollte ich so nicht posten. Das Seminar in der Uni hat mir aber jetzt den richtigen Denkanstoß gegeben.
Zuerst einmal ist mir von Bedeutung zu erklären, dass ich es wichtig finde, positiv zu sein und auch zu bleiben. Und besonders wenn es um unsere Mitmenschen geht, sollte man diesen ein positives Gefühl vermitteln. Es ist wichtig, dass wir andere motivieren, ihnen Mut und Hoffnung geben. Aber es sollte doch bitte realistisch und authentisch bleiben, oder nicht?
Wir kennen doch alle diese furchtbar kitschigen Bildchen, mit ach so tiefgründigen Sprüchen, die immer und überall gepostet werden? Bei vielen Sprüchen denkt man erstmal „joa, stimmt“. Schaut man sich die Sprüche aber mal eine Minute länger an, wird einem schnell klar, dass sie so tiefgründig sind, wie mein Toaster. Einige verfehlen dann nicht nur ihr Ziel um Längen, sondern lösen beim Leser das genaue Gegenteil aus: Sie setzen einen unter Druck und zeigen einem, was man nicht kann.
Kurze, knackige Sprüche, die einem in einer Sekunde endlich den Sinn des eigenen Lebens vermitteln. Der große Aha-Moment, weil man ein Meme im Internet sieht? Eine wunderschöne Vorstellung, aber leider kaum zu erreichen.
Mal ehrlich, die meisten von uns wissen über ihre Probleme Bescheid. Das würde ich jetzt einfach mal behaupten. Wenn wir alle auch wüssten, wie wir diese Probleme easy-peasy anpacken und im Handumdrehen zu Nichte machen – ja, verdammt, dann würden wir das alle sicherlich sofort tun und als permanent glückliche Menschen umherwandeln.
Nicht von heute auf morgen – sondern harte Arbeit

Okay, genug Sarkasmus für heute, entschuldigt. Ich mag die Serie „How I Met Yout Mother“ ganz gerne. Barney Stinson ist ein interessanter Charakter und viele kennen vielleicht sein fast schon berühmtes Zitat: „When i get sad, i stop being sad and be awesome instead.“
Hmm ja, klingt toll, oder? Ich bin auch nicht gerne traurig und es ist immer leicht gesagt, diesen Zustand „so einfach“ zu verändern. Wer das so schnell kann? Wunderbar! Wenn man aber gewisse Gedanken und Verhaltensweisen über Jahre oder Jahrzehnte so verinnerlicht hat, dann dauert es eben auch wieder Jahre diese Denkweise zu verändern. Das geht nicht von heute auf morgen. Deswegen können solche Zitate einen auch echt unglücklich machen. Versteht ihr mein Problem mit solchen Zitaten?
Bin ich eine schreckliche Person?
Ich muss es einfach nochmal tun. Vor über einem Jahr, nannte man mich im Internet eine schreckliche Person – weil ich so bin, wie ich bin. Bin ich eine schreckliche Person, weil ich ein Mensch bin, der sich viele Gedanken macht? Nein!
Es gibt Menschen, die gehen leichtfüßig durchs Leben. Sind nicht permanent damit beschäftigt sich selbst zu reflektieren (wobei es manchen wirklich mal gut tun würde :D) und jonglieren nicht alle Gedanken so lange hin und her, bis nichts mehr einen Sinn ergibt. Ich beneide diese Menschen oft aus tiefstem Herzen! Ich wäre gerne so, aber ich bin es nicht. Ich.bin.nicht.so.
Muss ich mich jetzt ändern? Nein!

Trotzdem möchte ich mich aber gerne zumindest etwas verändern. Denn diese ständigen Gedanken können wirklich anstrengend sein und einem den Weg versperren. Deswegen lese ich Bücher, gehe zu solchen Seminaren und versuche einfach leichter mit allem umzugehen. Ich versuche mir selbst nicht mehr im Weg zu stehen. Das habe ich aber fast mein ganzes Leben gemacht. Jetzt wo ich weiß, was ich ändern möchte, kann ich das an einem Tag ändern? Nein, ich arbeite daran seit f*cking fünf Jahren – und ich versuche es wirklich!
Das ist ein Prozess und es bedeutet Arbeit für den Betroffenen. Manchmal benötigt es sogar Hilfe und Unterstützung – eine Therapie vielleicht.
Diese Arbeit sollte meiner Meinung nach honoriert werden. Jemand der es schafft zu einem positiveren Menschen zu werden, der hat sicherlich eine Menge geleistet und hat über Jahre an sich gearbeitet.
Du bist gut so, wie du bist, wenn du damit glücklich bist!
Natürlich möchte ich hier nichts verallgemeinern. Es gibt da draußen auch viele wunderbare Zitate, die es auf den Punkt bringen. Ich möchte nur sagen, dass man sich manche Sprüche vielleicht ein bisschen genauer ansieht und sich fragt, ob der Spruch wirklich in die Realität passt, bevor mich das Zitat in eine Sinneskrise befördert. Wie bei allem gibt es Gutes und Schlechtes da draußen. Macht euch nicht verrückt, wenn ihr Zitate lest, denen ihr einfach nicht gerecht werden könnt. Das ist vollkommen okay – ihr seid deswegen keine Versager! Denn wir sind alle okay, so wie wir sind und wir sollten uns nur dann ändern, wenn wir es selbst möchten und nicht weil uns das Internet das sagt!

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