Triggerwarnung: Dieser Text beinhaltet Symptomatik und Auswirkungen von Essstörungen und Insulin-Purging. Solltest du aktuell an einer Essstörung erkrankt sein, könnte der nachfolgende Text triggernd wirken.
Das Warten auf den HbA1c gleicht jedes Mal dem Moment, in dem man seine Abiturergebnisse erfuhr. Alle drei Monate wieder.
Mir schlägt immer das Herz bis zum Hals.
Als ich davon meiner Diabetologin erzählte war sie sehr überrascht.
Nach all den Jahren? Wieso?
Ich glaube, das liegt an dem Arzt, den ich als Kind hatte. Er hat mir immer die Hölle heiß gemacht, wenn mein HbA1c-Wert schlechter wurde. Seiner Meinung nach war der einzige Grund für meine Werte meine Undiszipliniertheit. Was nicht ganz falsch war – aber eben auch nicht ganz richtig. Hier gibt es so viel mehr als schwarz und weiß. Aber dieses Thema werde ich in einem eigenen Beitrag ausrollen.
Angst vor dem HbA1c-Wert verinnerlicht

Noch heute ist dieser Wert für mich das Ergebnis, das zeigt wie schlecht ich die letzten Monate war.
Schlecht. Denn „gut“ war ich schon sehr lange nicht mehr.
Nun stand seit 10 Jahren endlich wieder eine 7 an erster Stelle des HbA1c-Wertes.
Na ja, „stand“. Denn seit gestern ist es wieder eine 8.
In meinem Kopf hallte die Stimme meines alten Arztes. Wie er meckerte und ich ganz klein wurde.
Mir wurde wieder klar: Die letzten Monate war ich undiszipliniert. Ich kann es jetzt auf die Erkältungen schieben, die ich in dieser Zeit hatte oder auf den gewaltigen Prüfungsstress oder Weihnachten oder oder oder .
Ehrlich zu mir selbst sein
Aber ich muss auch ehrlich zu mir selbst sein. Immerhin kann ich das mittlerweile: Mein aktueller HbA1c-Wert hat noch einen ganz anderen Grund.
Nach dem ich Weihnachten so viel gegessen hatte und auf Grund mehrere Erkältungen und Infekte fast zwei Monate fast gar keinen Sport gemacht hatte, fühlte ich mich so unfassbar unwohl.
Unwohl und dick.
So sehr, dass ich in alte Muster verfiel.
Nach jedem Essen meldete sich eine Stimme in meinem Kopf die ich nun, Gott sei dank, lange Zeit nicht gehört hatte.
„Das Essen setzt doch sofort wieder an. Es sei den…“
„Ruhe! Ich werde jetzt spritzen!“
„Aber hör doch mal zu. Wenn du nicht spritzt, dann landet das Essen nicht auf deinen Hüften!“
„Ich gehe bald wieder zum Sport, das ist egal. Ich muss das spritzen!“
„Dann werde eben wieder dick! Ich kann es schon sehen. An deinem Bauch… und guck mal deine Beine an!“
…
Es war ein Kampf. Die Stimme wurde immer lauter und fand immer bessere Argumente.
Ich versuchte standhaft zu bleiben. Argumentierte mit fast kindlicher Stimme zurück: „Nein, aber…“
Zu meinem großen Erstaunen habe ich gegen die Stimmen gewonnen. Allerdings diskutierten wir oftmals Stunden. Ein hin und her. Ein Krieg, ein Wirbelsturm, ein Tsunami, alles auf einmal in meinem Kopf.
Und auch wenn ich spritzte, hatte ich die hohen Spitzen in meinen Kurven.
Ich holte meinen Freund zur Hilfe. Er achtete darauf, dass ich nach dem Essen direkt spritzte.
Jedoch kam er erst am späten Nachmittag nach Hause. Über die Hälfte des Tages war ich mit dieser Stimme allein.
Und auch SMS Nachrichten „hast du schon gespritzt?“ ließen die Stimme nicht immer verstummen. Wir schrien uns schon so laut an, das die SMS einfach unterging.
Seit dem ich wieder zum Sport gehe, wird die Stimme leiser. Aber sie ist da, das weiß ich. Auch wenn sie manchmal Tage oder Wochen stumm bleibt, weiß ich, dass sie da ist und wartet. Wartet bis ich einen schwachen Moment habe und angreifbar für ihre Überredungskünste bin.
Der HbA1c-Wert hat mir gezeigt, dass ich mit der ganzen Sache noch nicht durch bin.
Das diese Gedanken wieder kommen können und das sie mich so irrational denken lassen, dass ich alles vergesse, was passiert ist.
Ich weiß, wohin mich diese Gedanken bringen können. Und obwohl ich mir geschworen habe, dass ich meine Gesundheit nie wieder so leichtfertig aufs Spiel setzten würde, bricht nach jedem Essen der erneute Kampf in mir aus.
Noch immer habe ich einen Weg vor mir. Gerade bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn alleine schaffe.
Dieser Blog ist mir dabei aber eine enorme Hilfe!

Hallo Lisa,
Ich habe dich über einen Artikel der Closer gefunden und war erst etwas geschockt darüber. Ich habe , auch wie du, in der Pubertät 40 Kg zugenommen in zwei Jahren. Auf die Idee überhaupt kein Insulin zu spritzen wäre ich nie gekommen. Ich habe zwar bemerkt, dass ich mit höheren Werten weniger Hunger hatte. Ich habe damals mit Kalorienzählen abgenommen und heute ernähre ich mich nach dem Weight Watchers Prinzip. Ich habe es auch aufgegeben Traummasen hinterherzulaufen, aber es war ein harter Weg.
Ich habe immer gedacht, ich bin alleine mit meinem Problem. 🙂
Meinen Diabetes habe ich mit Elf bekommen und wäre damals fast daran gestorben. Vielleicht war es das, was mich so prägte, dass ich immer sehr bewust und Verantwortungsvoll mit mir umging. Ich bin inzwischen 31 Jahre alt und mein Beruf hat mir gezeigt, dass es viel schlimmeres gibt als Diabetes. Ich musste einmal einer Mutter erklären, dass ihr Baby warscheinlich sterben muss. Es aber noch eine gewisse Hoffnug besteht. Diese Frau braucht Motivation!
Ich verstehe aber, im Zeitalter von Size Zero und Oberflächigkeit , dass man manchmal alles tut um dünn zu sein.
Und eines , du hast eine super Figur!!!!! Mein Kommentar ist vielleicht nicht das, welchen du dir wünschst, aber vielleicht versuchst du es von einer anderen Seite zu sehen. Und ohne den Diabetes wären wir alle doch nicht die Menschen die wir sind. Und im Grunde sind wir doch garnicht so schlecht.
Ein Tipp zum Schluss. Ich esse bei Unterzucker immer 2 Traubenzuckerstücke und dann ein bis zwei Äpfel oder anderes Obst.
Lieben Gruß
Sabine
Hallo Sabine!
Vielen lieben Dank für dein Kommentar!
Ich hasse die Krankheit nicht. Als Kind fand ich das alles normal, da ja mein bruder längst Diabetes hatte. In der Pubertät habe ich sie geahsst – aber was hasst man als pubertierender Teenager nicht!
Mittlerweile habe ich meinen Frieden geschlossen. Wir machen eine Paartherapie 😀
Gute und schlechte Zeiten gibt es immer mal, da muss man durch.
Mein roblem ist vorranging wirklich mein Kopf und diese irrwitzige Idee des idealgewichts. Aber auch da versuche ich dran zu arbeiten!
Vielleicht weil mein Diabetes früh erkannt und ich ihn sowohl bei mir, als auch bei meinem bruder nie als etwas „schlimmes“ angesehen habe, war ich so leichtfertig. „Ist ja nur Diabetes“ Ja, ist er auch, aber nur solange man gewisse Dinge erfüllt, dann kann es ganz schnell nach hinten losgehen. Aber das habe ich jetzt gelernt!
Vielen Dank für deinen Zuspruch. Genau das macht mir Mut und motiviert mich nicht aufzugeben 🙂
Liebe Lisa,
Du hast mich gerade mit diesem Kommentar fast zum Weinen gebracht…
Vielen, vielen Dank für deine Ehrlichkeit auf deinem gesamten Blog!
Ich bin jetzt 19 Jahre alt, habe seit dem ich 5 Jahre alt bin Diabetes und bis jetzt nicht nur einmal diese Phase durchgemacht.. Mit 14 das erste mal runter auf 43 Kilo… Mit 16 ein weiteres mal und letztes Jahr kam dann der „Höhepunkt“ , der in 10 Wochen Klinikaufenthalt geendet ist. Jedoch muss ich sagen , das dies die Beste und schlauste Entscheidung meines Lebens war, denn das hat mich so viel lernen,sehen und erkennen lassen… Das Leben und vor allen das Glück darf nun mal nicht von 5 Kilo mehr oder weniger abhängen!!! Dank einem langem Kampf mit der Krankenkasse habe ich nun seit Februar den Dexcom G4 und schaffe es das erste mal mich nicht selbst zu „verarschen“ und mich dabei nicht kontrolliert zu fühlen! Mein Hba1c ist das erste mal seit ich weiss nicht wie vielen Jahren unter 10 und obwohl ich zurzeit mein persönliches Höchstgewicht habe, merke ich das ich auch mit 5 Kilo mehr geliebt werde…
Nun wollte ich dich fragen, ob das nicht vllt auch für dich eine Möglichkeit wäre, den inneren Schweine(Insulin)hund zu überwinden?
Liebe Grüße und bitte mach weiter so!
Du kannst stolz auf dich sein!
Vielen vielen lieben Dank, für diesen tollen Kommentar! Wahnsinn, dass du das geschafft hast. Respekt!! Da kannst du richtig stolz sein 🙂
Ich war im alter von 14 bis 21 in Theraphie, damals aber hauptsächlich wegen etwas anderem. Auch wenn das damals schon oft angesprochen wurde.
Ich selbst merke, dass ich das brauche und stehe momentan noch auf Wartelisten von Therapeuten. Ich habe mich leider nicht ganz dahinter geklemmt, weil es mir schwerz fällt über all das zu reden, wenn mir wirklich eine reale Person gegenüber sitzt. Aber auf jeden Fall will ich das wieder probieren! Bis dahin bleibt mir der Blog und ihr alle, die mich verstehen und mir hier schreiben!
Danke 🙂
Wieder was „gelernt“! Der Zusammenhang ist logisch, aber so habe ich das nie praktiziert…und auch in schlechten BZ-Zeiten mit 8er HbA1C nicht abgenommen. Ich ärgere mich aber auch furchtbar, wenn ich essen MUSS, gern auch nach dem Zähneputzen, weil der Betthuperl-Wert den Befehl gibt. Hab zwar Normalgewicht, aber jongliere- so lange ich denken kann- mit 5kg rum, mal sind sie weg, nicht aufgepasst, stehen sie wieder vor der Tür! 🙁 Letztens hatte ich – glaub ich- eine 7 vorne, aktuell hab ich die neue Pumpe von Accu Chek ganz neu, das motiviert und verbessert…bin gespannt. Warum trägst du keine Pumpe? Ich bin jetzt 28 Jahre süß, davon 19 Jahre mit Pumpe. Ich war 27, als ich mich dazu entschlossen habe… nie bereut. hab im alten Blog ein paar alte Utensilien von dir gesehen… das Reflolux -Gerät hatte ich auch. Ich könnte eine lustige Pumpengalerie zeigen… meine ersten sahen – jetzt beguckt… auch etwas… hm…unfertig …aus. 🙂 Aber das sagen wir in 20 Jahren auch über das Zeug von heute. Bleib tapfer! Liebe Grüße Miki
Hallo Miki!
Ich habe seit 1999 Diabetes. Das ganz alte Gerät, war von meinem Bruder, der es jetzt 29 Jahre hat.
Ich wollte nie eine Pumpe. Ich hatte sie mir „aufschwätzen“ lassen und habe sie dann tatsächlich nach einem halben Jahr wieder abgegeben. Das ist nun auch schon wieder 7 Jahre her. Nun habe ich mich selbst für eine Pumpe entschieden, den Omnipod, weil ich mit der Schlauchpumpe nicht zurecht kam. Die ist beantragt, ich bin gespannt.
Ich versuche auch gesund abzunehmen, aber die letzen 5 Kilo wollen einfach nicht runter. Sei froh, das du diesen Gedankengang noch nie hattest und nicht nicht ganz nachvollzoehen kannst. Das wünschte ich mir auch. Ich weiß ja, dass es nicht gut ist und kämüfe nun gegen diese Gedanken.
Vielen Dank!
Liebe Grüße
Lisa
Na da bin ich ja gespannt! Ich hoffe, du zeigst uns das Ding und das Drumherum?
Leider hab ich aktuell eine Pflasterallergie entwickelt, ich fürchte, dass stände solch einer Pumpe sowieso im Weg…aber ich liebe ja „meine“ 😉 Liebe Grüße Miki
Liebe Lisa,
Ich bewundere wirklich deine Stärke und den Willen den Kampf anzugehen. Dafür wünsche ich dir auch ganz viel Geduld, gute Nerven und Kraft. Kenne das alles nur zu gut.., aber ich bin leider noch nicht so weit wie du
Hey Liebes,
Ich bin gerade erstaunt über deine Ehrlichkeit und Offenheit und hoffe die Auseinandersetzung und das Schreiben darüber macht dich stärker – obwohl ich denke, du bist stärker, als du von dir selbst vermutest. Wir schaffen das gemeinsam – Gemeinsam: Body Change <3
Und auch wenn die Stimmen immer ein Teil von dir sind – Du bist stärker.
Vielen Dank, Sassi :*
Ich kenn diese Stimmen nur zu gut. Mit 24 habe ich eine Therapie deswegen gemacht. Rückfällig bin ich seit dem nicht mehr geworden. Jetzt bin ich 32 und das scheiß-essen müssen bei Hypos belastet mich immer noch sehr. Im Grunde dreht sich jeder Tag bei mir nur darum, was esse ich, wann treibe ich Sport damit ich nicht zunehme und wie halte ich meinen HBA1c niedrig. Ich wäre gerne „normal“ aber mach fast 20 Jahren Diabetes werde ich im Kopf wohl niemehr normal werden.
Hallo Kity!
Danke für deinen Kommentar! Da fühlt man sich gleich nicht so alleine. Aber das mit den Unterzuckerungen kenne ich auch. Die waren der Grund warum ich Anfangs so viel zugenommen habe. Seitdem sind auch die meine größten Feinde!
Es ist gut, dass du schreibst was dich belastet, denn das befreit. Typ1 ist ein ständiges auf und ab. Für viele Werte gibt es ein keine Erklärung, für niedrige oft auch nicht. Mir hat nach 40 Jahren ein tolles Team und die Pumpe geholfen wieder ein Gespür für die Normalität zu bekommen. Es ist schön wenn die 7 vor dem Komma steht, aber es ist schlecht wenn sie zum Zwang wird. Ich schreibe seit zwei Jahren wieder regelmäßig Bz-Tagebuch. Das hilft auch wenn ich hohe Werte aufschreibe habe ich einen Arzt der versucht mit mir Erklärungen und Lösungen zu finden. Genial waren die zwei Wochen Sensor Test. Das hat grossartig zur Lösung unerklärlicher Werte beigetragen. Ich weiß nicht genau wie alt du bist, aber ich habe viele Jahre gebraucht den Typ1 zu akzeptieren. Zwei Schwangerschaften sind gut gelaufen und das hat mich stark gemacht. Ich kann mit dem Typ1 umgehen und wenn keine 7 vor dem Komme steht, weiß ich warum und bin für mich alleine in der Lage die Werze zu verándern. Ich tue es für mich und für die, die mich lieben. Jetzt ist es mein kleiner Enkelsohn der mich motiviert. Ich brauche immer ein Ziel das ich erreichen möchte. Das hilft den Typ1 zu akzeptieren und die Angstgespenster zu zähmen. Ich kenne alles was du beschrieben hast. Mit der Pumpe ist vieles davon plötzlich verschwunden. Darum bin ich dankbar, dass ich den 2. Versuch nach 25 Jahren erfolgreich genommen habe. Upps, soviel wollte ich garnicht schreiben. Du siehst auch ich brauche das…. Alles Liebe für dich, du schaffst das!!!
Hallo Julia! Ich habe Diabetes seit meinem 10ten Lebensjahr, also seit 15 Jahren. Die Akzeptanz war eignetlich nie mein Problem. Mein Bruder at auch Diabetes und für uns war das immer ganz normal. Die Probleme kamen erst, als ich in der Pubertät viel zugenommen habe und abnehmen wollte. Aus diesen Gedanken, Insulin zu sparen um wieder abzunehmen, muss ich erst wieder rauskommen. An sich habe ich mit dem Spritzen und dem Messen kein Problem, aber mit meinem eigenen Körper und dem Essen. Aber die Tage, an denen ich diesen inneren Kampf habe werden zum Glück weniger.