Sorrow found me when I was young,
The National – Sorrow
Sorrow waited, sorrow won.
Sorrow that put me on the pills,
It’s in my honey it’s in my milk.
It’s only about half a heart alone
On the water,
Cover me in rag and bones, sympathy.
‚Cause I don’t wanna get over you.
I don’t wanna get over you.
„Und hast du noch mehr Geschwister?“
Da war sie wieder, diese eine Frage, bei der ich jedes Mal zusammenzucke und mein Herz kurz aussetzt. Wie immer muss ich kurz überlegen, was ich antworten möchte. Schließlich sagte ich: „Ja, ich hatte noch einen anderen Bruder, aber er starb bei einem Verkehrsunfall als ich sieben war.“
Es gab Zeiten, da habe ich einfach gesagt, dass ich nur einen Bruder habe. Das war einfach leichter. Nicht für mich, sondern für die Anderen. Ich habe kein Problem über meinen Bruder zu sprechen, nur katapultiert das mein Gegenüber meistens in eine so unangenehme Situation, dass ich mich dann schlecht fühle. Ich möchte nicht, dass sich jemand wegen mir unwohl fühlt – aber noch viel schlimmer ist dann oft das Mitleid, das ich zu spüren bekomme. Ehrlich, ich hasse Mitleid so sehr, auch wenn es lieb gemeint ist. Nur bringt es eben niemanden weiter nach vorne.
Die Unsichtbaren auf dem Rücksitz
Auch dieses Mal merkte ich, wie mein Gesprächspartner kurz innehielt, aber ich spürte kein Unwohlsein, nur Überraschung. Schließlich sagte er: „Mein Bruder starb auch bei einem Verkehrsunfall als ich sieben war“. Dann schwiegen wir kurz. Wir kannten uns kaum, saßen aber zusammen in einem Auto – für die nächsten fünf Stunden. Plötzlich fühlte es sich an, als sei der Rücksitz nicht weiterhin leer. Ich spürte, wie mein und sein Bruder plötzlich hinter uns saßen und das Auto irgendwie schwerer machten, aber auf eine gute und schöne Art und Weise.
Wir beide nickten uns nur zu und ich hatte das Gefühl, auch er bemerkte unsere beiden unsichtbaren Mitfahrer.
„Bei mir ist das meiste verschwommen“
Wir unterhielten uns noch etwas länger über dieses Thema. Er fragte mich, ob ich mich daran erinnern würde, was passiert ist und ich sagte: „Ja, ich erinnere mich an einige Dinge ganz genau, besonders an die Gefühle, die ich hatte. Andere Sachen sind aber total verschwommen, da weiß ich nicht, ob meine Erinnerung richtig ist.“
„Ja, man ist sehr jung, das ist schwierig. Ich erinnere mich komischer Weise an jedes einzelne Detail von diesem Tag.“ Wieder nickte ich und musste ihm meinen vollen Respekt ausdrücken. Manchmal bin ich froh, dass der Tag, an dem mein Bruder einfach nicht mehr nach Hause kam so verschwommen ist. Es würde mich wohl wahnsinnig machen, wenn ich mich noch an alles erinnern würde. Das, an das ich mich erinnere ist manchmal schwer genug.
Endlich offen reden
Es war unfassbar schön, dass plötzlich jemand neben mir saß, der die gleichen Gedanken zu haben schien wie ich mein Leben lang. Natürlich redet man über das, was passiert ist mit verschiedenen Personen, aber man wird nie richtig verstanden. Jetzt fühlte ich zum ersten Mal, dass da jemand saß, der absolut wusste worüber er redete. Der wusste, dass es ein schwieriges Thema ist. Ein Ereignis, dass das ganze Leben prägt. „Ich wäre heute eine andere Person ohne das…“ sagte ich und er nickte. „Ja, absolut“. Und obwohl es so ein hartes Thema ist, wussten wir beide, dass es vollkommen okay war darüber zu reden. Das es uns beiden nicht unangenehm war über unsere Brüder zu reden, nein, es war sogar sehr schön.
Und dann ist es auch erstmal wieder gut
Auch ich würde öfter über meinen Bruder reden, er war ein wunderbarer Mensch und hat nur verdient, dass man ihn nicht vergisst. Aber wie gesagt, die meisten Menschen wechseln schnell das Thema, wenn sie erfahren, was passiert ist.
Sie werden wahrscheinlich nie verstehen, wie befreiend es ist diese Dinge rauszulassen, sie einfach nur offen anzusprechen von Zeit zu Zeit und dann ist es auch erstmal wieder gut.
Ich bin sehr dankbar über diese Erfahrung und werde sicherlich in Kontakt bleiben, mit meinem Beifahrer. Da ist einfach dieses unsichtbare Band, das uns verbindet. So können so tragische Geschichten eben auch etwas Schönes an sich haben.
Und darüber zu reden macht einen nicht traurig, sondern befreit auf eine Art und Weise.
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