Disclaimer: Ich betreibe das DIY-Closed Loop System auf eigenes Risiko. Meine Ausführungen sind auf keinen Fall als Therapieempfehlung zu verstehen und sollten nicht nachgemacht werden.
Nach dem ersten Tag mit meinem DIY-Closed Loop System telefonierte ich mit meiner Mama. Als sie fragte, wie es jetzt mit meinen Werten aussehe, sagte ich lachend: „Ich glaube, ich bin geheilt“.
Heute, etwa acht Monate später, muss ich über meine anfängliche Euphorie schmunzeln. Herrgott, war ich naiv! Aber so bin ich immer. Warum ich derartiges heute nicht mehr sagen würde und warum sich mein Leben mit Diabetes trotzdem extrem geändert hat, möchte ich heute im Rahmen der Diabetes Blog Woche erzählen.
Die Welt unter 7
Erst vor zwei Wochen war ich beim Quartalsbesuch bei meiner Diabetologin. Außerdem stand die jährliche Fußkontrolle an. Auch nach über 19 Jahren Diabetes sind beide Füße gesund. 8 von 8 oder eben 100%. Mich beruhigt sowas sehr. Nachdem ich mehr als 10 Jahre nicht im Geringsten auf meinen Diabetes Acht gegeben habe und alle Risiken einfach fröhlich verdrängte, kommt heute die Angst vor Komplikationen bei jedem Arzttermin mit doppelter Wucht.
Mein neuer HbA1c lag auch dieses Mal unter 7%. Eine Tatsache, die für mich seit der Diagnose 1999 einfach unerreichbar schien. Egal wie oft ich Diabetologen, Insuline oder Therapieansätze änderte. Nun war es direkt der dritte HbA1c-Wert in Folge, der eine sechs vor dem Komma stehen hatte. Noch immer gucke ich in diesen Momenten ungläubig aus der Wäsche, bis mir ein breites Grinsen ins Gesicht steht. Vor meiner Diabetologin kann ich all diese Gefühle nicht verstecken. „Wollen wir mal sehen, wie sich ihre Werte seit dem Loop verändert haben“ sagte sie fröhlich und wir beide zogen ein Resümee. In meinem Diabetes-Pass, in dem alle drei Monate meine Blutwerte übertragen werden, konnten wir schnell sehen, dass mein HbA1C seit 2014 immer zwischen 7,5 und 10% lag. Ein einziges Mal konnte ich eine 7,2 verbuchen. Seit Dezember 2018 und seit dem DIY Closed Loop stehen in diesem kleinen blauen Büchlein nur noch Werte mit einer sechs.
Auch wenn wir heute wissen, dass der HbA1c-Wert nicht das non plus Ultra ist, dass man ihn auch „erschwindeln“ kann und die Time in Range viel wichtiger ist, sind diese Zahlen für mich trotzdem ein klares Zeichen.
Der Aufwand bleibt, die Arbeitsweise ändert sich
Ich kümmere mich deutlich weniger um meinen Diabetes. Es gibt Stunden, in denen ich keinen einzigen Gedanken an meine Blutzuckerwerte verschwende. Ich habe eine Leichtigkeit zurückgewonnen, die mir seit meinem ketoazidotischen Koma 2013 fehlte. Manchmal nimmt mein Verhalten sogar Züge meines früheren Ich an. Lieber Leben und Spaß haben, als andauert über den Diabetes nachzudenken. Der Unterschied dieses Mal ist jedoch, dass diese neue-alte Unbeschwertheit nicht auf Kosten meiner Gesundheit erfolgt. Nein, meine Werte sind sogar besser als jemals zuvor.
Das klingt alles fast schon zu perfekt, oder?
Richtig! Man darf auf keinen Fall vergessen, dass so ein DIY Closed Loop viel Arbeit benötigt. Ich würde sagen, dass ich die Zeit, die ich gewonnen habe, teilweise benötige, um den Loop in Stand zu halten und ihn weiter laufen lassen zu können.
Einfach anlegen, starten und die Welt ist für immer in Ordnung – so ist es leider nicht, sorry für diese Desillusionierung.
„Ich schmeiß das Teil gleich gegen die Wand“
Als ich neulich einen Blick auf meine Werte werfen wollte und dafür die Loop-App auf meinem Handy öffnete passierte nichts. Na gut, die App öffnete sich zwar, aber keine Sekunde später war die App wieder geschlossen. Kein Reinkommen. Okay, dachte ich mir, dann muss ich die App eben neu installieren. Zugegeben, musste ich das in den letzten Monaten schon öfters machen. Große Sorgen machte ich mir erstmal nicht, denn auch, wenn es immer Zeit und Arbeit beansprucht, lerne ich den Umgang mit der Technik einfach jedes Mal besser.
Dieses Mal wollte es dann aber so gar nicht klappen. Die App ließ sich plötzlich nicht wie gewohnt installieren. Andere Fehler, die ich im Vorfeld bereits hatte und beheben konnte, waren dieses Mal nicht das Problem. Es dauerte tatsächlich zwei komplette Tage, an denen mein Freund und ich zusammen versuchten, die App erneut auf das Handy zu bekommen. Am Ende war ich so genervt und frustriert, dass ich den Loop gerne gegen die Wand gepfeffert hätte: „Wenn das gleich nicht geht, dann lass ich die Scheiße einfach ab!“ Ja, ich habe eine geringe Toleranzgrenze bei technischen Problemen und bin immer heil froh, dass mein Freund in solchen Situationen viel ruhiger bleibt als ich.
Loop ist nicht perfekt und das ist auch gut so
Gerade in den letzten Sommerwochen hatte ich zudem weitere Probleme mit Loop. Damit so ein Loop gut funktioniert, muss man ihn selbst mit Werten füttern. Diese braucht der Algorithmus zum Rechnen. Vor der in Betriebnahme, muss also nicht nur die Basalrate recht gut stimmen, sondern besonders auch die BE- und Korrekturfaktoren.
All das stimmte seit Dezember ganz wunderbar. Meine vielen Schwankungen waren fast auf ein Minimum reduziert worden. Meine Time in Range ein Träumchen.
Und nun? Plötzlich ging gar nichts mehr. Wie vor dem Loop hatte ich plötzlich eine Hypo nach der nächsten. Das war schon fast ungewohnt, da Loop auch meine Hypos fast gänzlich auffangen konnte. Jetzt das. Ich reduzierte also das Insulin, setze meinen Zielwert etwas höher und trug großzügigere Faktoren in der App ein. Doch selbst das schien Loop nicht zu reichen. Noch immer rechnete Loop fröhlich weiter und passte mein Insulin entsprechend an. Trotz eines neuen Zielwertes von 130 mg/dl und Korrekturfaktoren um 85 schafften es die Berechnungen von Loop nicht, meinen Blutzucker auf 100 mg/dl oder höher zu bekommen. Wie kann denn ein halbes Jahr alles nahezu perfekt laufen und dann sind solche riesigen Sprünge drin?
Mir zeigte das genau zwei Dinge:
Loop ist nicht perfekt. Auch ein Algorithmus schafft es nicht immer meinen Blutzucker dahin zu bekommen, wo ich ihn gerne hätte. Das ist zwar auf der einen Seite nervig, beruhigt aber auch ungemein. Wenn Loop es nicht schafft, ist es auch kein Wunder, dass ich es all die Jahre nicht immer geschafft habe. Ich fühle mich weniger wie ein Versager, wenn ich sehe, dass auch die Technik dieselben Probleme hat, wie ich als Mensch.
Auch bei einem DIY Closed Loop System müssen hin und wieder Werte und Faktoren kontrolliert und abgestimmt werden. Dass der Diabetes keine Arbeit mehr kostet ist schlicht falsch. Ändert sich etwas am Lebensstil oder am Körper, kann es sein, dass ihr alles auf den Kopf stellen müsst. Davor beschützt euch auch die Technik nicht.
Fazit nach über einem halben Jahr DIY Closed Loop
Wie ihr seht, ist ein DIY Closed Loop System kein Allheilmittel. Ihr müsst euch immer noch mit euch, eurem Körper und dem Diabetes auseinandersetzen. Nur eben anders. Wenn der Diabetes deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt, müsst ihr genau diese Zeit manchmal eben für die Technik opfern. Ein bisschen gehüpft wie gesprungen also.
Dennoch würde ich meine Aussage heute so umformulieren: „Mein Leben seit dem DIY Closed Loop und meinem Diabetes ist ein anderes.“ Es ist anders, aber gut anders. Ich würde trotz der Schwierigkeiten und Frustration, die die Technik manchmal bietet, meinen Loop nicht wieder hergeben wollen. Alles in allem habe ich das Gefühl, dass mein Leben etwas leichter, etwas normaler geworden ist. Momente der Unbeschwertheit haben zugenommen und meiner Gesundheit geht es fabelhaft.
Aber all das sollte man sich bewusst machen, bevor man sich für oder gegen den Versuch ein eigenes Closed Loop System zu basteln entscheidet.
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