
Hmm Mist. Jetzt habe ich so einen guten Aufhänger gefunden, eigentlich hätte wohl eher dieser Blogpost mein erster Blogbeitrag nach der langen Pause sein sollen. Er unterscheidet sich thematisch zumindest nicht besonders groß von meinem letzten Beitrag.
Seit einer Woche bin ich zurück in der Diabetes Online Community und im Bloggerdasein. In dieser einen Woche habe ich mir viele Gedanken gemacht. Über die Zeit, in der ich nicht gebloggt habe und über die Zeit, in der ich sehr viel gebloggt habe. Ich kenne beide Seiten gut. Ich habe mich gefragt, ob das Bloggen mein Leben wirklich so sehr bereichert – oder ob es vielleicht eher die Abstinenz in der Online-Community ist, die mir und meinem Leben guttut?
Bloggen erfordert Mut
Denn als Blogger werden einem auch mal schnell einige Dinge vorgeworfen. Man muss teilweise ein dickes Fell haben, um sein Leben so öffentlich preiszugeben. Es ist eine Entscheidung, die man aktiv treffen muss. Und das ist natürlich nicht für jeden etwas. Ich verstehe jeden, der das nicht möchte und habe volles Verständnis dafür.
Auf der anderen Seite fehlt mir jedoch oft das Verständnis für die, die diese Entscheidung getroffen haben. Das war sicher nicht leicht. Bevor ich anfange zu faseln, wäre theoretisch mit diesem Satz alles gesagt: „Kann doch jeder mit seinem Leben machen was er möchte.“
Aber das scheinen eben viele nicht zu denken und müssen prompt ihrem Unmut Gehör verschaffen: Da heißt es zum Beispiel schnell: „Die brauchen doch nur Aufmerksamkeit. Die haben wohl nichts Anderes in ihrem Leben. Die wollen nur irgendwelche Vorteile abgreifen. Immer wird nur gejammert“… und so weiter. Das man als Blogger nichts hinterhergeworfen bekommt – besonders nicht im Gesundheitsbereich sollte mittlerweile ausgiebig geklärt sein.
Darum geht es mir in dem Blogpost auch gar nicht, sondern primär um die Debatte, das besonders Blogger mit einer chronischen Krankheit, die eben über diese bloggen, jammern und nichts anderen in ihrem Leben haben als ihre Krankheit. Ist das so?

Andere Meinungen respektieren
Erst vor ein paar Wochen erschien in der taz ein Beitrag: „Leben mit Diabetes Typ 1 – eine Krankheit ist keine Identität.“
Der Überschrift stimme ich vollkommen zu. Mein Diabetes ist nicht meine Identität. Auch nicht weil oder wenn ich darüber schreibe, blogge, poste und zusätzlich im Diabetesbereich arbeite. Ich bin immer noch so viel mehr als meine Arbeit, meine Krankheit, meine Social-Media-Aktivitäten. Mein Leben besteht nicht nur aus diesen drei Dingen. Traurig, wer das wirklich glaubt. Aber zurück zum Thema.
Ich verstehe die Gefühle der Autorin durchaus und kann ihr in einigen Dingen zustimmen. Ich respektiere zudem ihre Meinung und ich freue mich sogar für sie! Ich freue mich für jeden, der in seinem Leben einfach so „klarkommt“, wo der Diabetes nebenherlaufen kann. Mal mehr, mal weniger Thema ist, aber im Großen und Ganzen eben einfach nur „da“.
Ich kenne nun beide Seiten sehr gut. Ich weiß, wie es ist über seine Krankheit zu bloggen und wie es ist, es nicht zu tun. Fakt ist: für mich funktioniert das zweite leider nicht wirklich. Ich wünschte mir manchmal, es wäre anders. Aber ich habe meinen Weg in die Selbsthilfe nicht ohne Grund gefunden, aus Langweile, weil ich Aufmerksamkeit wollte – oder weil mein Leben nichts anderes hergab. Sogar das Gegenteil war der Fall. In meinem Leben gab es einfach null Platz für den Diabetes, es gab so viel mehr! Ich habe mein Leben mit dem Diabetes nicht allein auf die Kette bekommen. Alle Versuche von Ärzten und Angehörigen das Interesse meinem eigenen Diabetes gegenüber zu wecken lief über 10 Jahre ins Leere. Von mir gab es nur genervtes Geschnaufe und Augenrollen. Ich wollte nicht über Diabetes reden, wollte nichts darüber hören und auch am besten nichts damit zutun haben. Das spiegelte sich letztendlich in meinen Werten wider. Erst als ich Austausch und Unterstützung durch die Community und andere Menschen mit Diabetes erfahren habe, habe ich einen besseren Umgang mit meinem Diabetes gelernt. Da waren Menschen, denen ging es wie mir und die hatten wirklich hilfreiche Tipps. Sie hörten mir zu und sie verstanden mich. Hätte ich weiterhin meine Klappe gehalten, wäre das nie passiert. So habe ich einen gesünderen Umgang mit meinem Diabetes gelernt. Auch wenn es auf meinem Blog einen anderen Anschein erweckt: Durch meinen Blog habe ich meine Diabetes-Life-Balance gefunden! Das ist das Tückische. Auf meinem Blog stehen kleine Fragmente aus meinem Leben, vielleicht ein Drittel wenn es hochkommt, von dem, was mich im Leben so umhertreibt. Und da es ein Diabetesblog ist – also ein Nischenblog, schreibe ich hier nur die diabetesrelevanten Dinge auf. Das heißt aber nicht, dass sich mein Leben außerhalb dieses Blogs nur um Diabetes dreht. Eben so gar nicht! Wie bereits erwähnt, ist unsere Tochter gerade 1 Jahr alt geworden, wir renovieren ein altes Bauernhaus, ich habe in einem neuen spannenden Job gestartet und wir planen und organisieren gerade alles für unsere Hochzeit im nächsten August. Mein Leben könnte aktuell nicht voller sein, zu keinem Zeitpunkt habe ich mich weniger durch meinen Diabetes ausgelebt als jetzt.

Ich brauchte eine Lösung für mich
In dem Jahr, in dem ich nicht gebloggt habe, habe ich meinen Diabetes schleifen lassen wie nie. Ich musste eine Reißleine ziehen. Denn ich möchte lange leben, gesund bleiben, für meine Familie da sein, großartige Momente mit meinen Freunden erleben. Erinnerungen schaffen, träumen, Spaß haben. Ich möchte noch lange auf Konzerte gehen, Partys feiern, alles was eben dazugehört. Das geht aber nicht, wenn ich permanent mit Horror-Blutzuckerwerten herumlaufe. Da fühlt man sich nicht nur wie ausgekotzt, sondern verkürzt nachweislich auch seine Lebensdauer. Blöd. Das ist mein persönliches Problem und vielleicht mache ich es durch den Blog zu einem öffentlichen Ding #sorrynotsorry.
In der einen Woche, in der ich wieder als Diabetesbloggerin aktiv bin habe ich übrigens endlich, zum ersten Mal seit über einem Jahr, meine Faktoren und Korrekturwerte in meinem DIY-Closed Loop System angepasst. Endlich hatte ich die Motivation dazu. Und was soll ich sagen? Meine Werte waren einfach direkt ein Stück weit besser. Klar, ich muss noch einiges schaffen, aber der erste Schritt, das Anfangen ist ja immer das Schwerste und ich bin so happy, es endlich einfach mal gemacht zu haben. Schon krass, wie sehr man sich an so Banalitäten aufhängen und festfahren kann.

Und meine Erfahrung zeigt mir: damit habe ich sogar auch anderen geholfen, denen es genau so ging. Andere, die aus welchen Gründen auch immer, nicht so öffentlich darüber sprechen können oder wollen. Auch das kann zu einem richtigen Problem werden, aber das ist wieder eine andere Story. Stichwort: Hohe Zahlen von psychischen Erkrankungen bei Diabetes und dass sie nach wie vor Tabuthemen sind. Irgendwer muss also mal darüber sprechen. Aber wehe man tut es, dann heißt es direkt wieder, es wird gejammert. Ach, ich verstehe das manchmal alles so gar nicht. Ein richtig und falsch gibt es nicht. Das muss jeder für sich klären. Wichtig ist eben, dass wir uns gegenseitig und unsere Entscheidungen respektieren.
Leben und leben lassen
Es ist wunderbar, dass wir Menschen so unterschiedlich sind. Aber lasst uns aufhören andere zu verurteilen, auf ihnen herumzuhacken oder whatever, weil sie einen anderen Weg für sich gewählt haben. Das hat was genau mit eurem Leben zu tun? Richtig!
Wer meinen Blog übertrieben, weinerlich oder aufmerksamkeitshaschend findet, der muss ihn schlicht nicht lesen. Aber ich habe beschlossen weiterzumachen, weil es für mich offensichtlich einfach keine Option ist, das Bloggen zu lassen. Das ist eine gesundheitliche Entscheidung. Zumindest bis ich etwas anderes gefunden habe, um meinen Diabetes besser in meinem Leben zu akzeptieren und zu integrieren. Und deswegen bin ich wieder da und jammere mit, mit den chronisch Kranken dieser Welt. Für mich, für die Selbsthilfe, für all diejenigen, die auch mal „struggeln“. Die nicht immer alles allein hinbekommen und hin und wieder nach Hilfe oder einfach Austausch suchen und fragen. Soll vorkommen, kann passieren, ist nichts Schlimmes (wirklich nicht!). Ausgesucht hat sich das sicherlich keiner von uns. Es ist ok. Egal wie du mit deinem Diabetes lebst. Ob mit oder ohne Hilfe, ob still für dich allein oder in der Community mit Diabetestattoo auf der Stirn und deiner Insulinpumpe um den Hals gewickelt.

Nachtrag:
So, das war mein Blogbeitrag zu diesem Thema. Im Nachhinein habe ich mich so in Rage geschrieben, dass ich wirklich sauer und traurig wurde. Ich möchte meine Texte immer so formulieren, dass sich niemand unnötig angegriffen fühlt. Ja, man könnte meine Texte dahingehend auch oft als „wischiwaschi“ bezeichnen. Ich lasse mich auch gerne eines Besseren belehren, lasse Raum für Meinungen und Austausch. Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Mittlerweile ist bekannt wie sehr Diabetes Einfluss auf die Psyche der Menschen mit Diabetes nimmt. Ich habe die genauen Zahlen nicht vor Augen, aber ich war erschrocken, wieviele nach NEUSTEN Kenntnissen psychische Probleme durch eine Diabeteserkrankung haben. Das wir erst HEUTE darüber sprechen und ein Umdenken in den letzten Jahren stattfindet ist allein schon skandalös. Noch immer wird offiziell wenig bis kaum darüber gesprochen. Und wenn es doch mal einen Artikel gibt, sind die, die meinen „WIE? ALSO ICH HABE KEINE PROBLEME DAMIT! KRIEGT MAL EUREN SCHEISS ZUSAMMEN, IST DOCH NUR DIABETES!!11elf“ immer die ersten und lautesten in der Kommentarspalte. Warum? Wie oft ich mit anderen schreibe, die sich bei mir bedanken, weil sie selbst Angst haben darüber öffentlich zu sprechen, sich nicht trauen zu sagen “Ja, ich kenne das. Mir geht es auch so. Ich habe Probleme, es fällt mir nicht leicht…“
Ja, da wundere ich mich wirklich nicht mehr, dass Leute Angst haben über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen. Auch ich wurde schon oft persönlich angegangen, teilweise so hart, dass ich das Bloggen aufgeben wollte. Ist das der richtige Weg, um mit so einer Thematik umzugehen? Psychische Erkrankungen verschwinden nicht, wenn man sie totschweigt. Nur weil nicht darüber geredet wird, heißt es nicht, es wäre nicht ein reales Problem. Nur weil DU dieses Problem nicht hast, bedeutet das, dass es Quatsch ist. Wir müssen darüber reden! Es interessiert dich nicht? Es betrifft dich nicht? Du willst das nicht hören? Boha, dann sei verdammt glücklich darüber und halt die Klappe. Es muss doch genügend Platz dafür da sein zu zeigen, wie super man heute mit Diabetes leben kann (denn das kann man), aber auch was es für Probleme verursachen kann (denn auch das passiert).
Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Nur weil ich mich damit beschäftige, darüber blogge etc. ist Diabetes noch lange nicht meine Identität. Aber ich respektiere und akzeptiere, dass der Diabetes ein Teil meines Lebens ist. So wie vieles andere auch. Ich kann ohne Probleme meinen Diabetes thematisieren und ihn offen zeigen. Manchmal sogar mit Spaß -oh nein! Anders sieht das zum Beispiel mit dem Tod meines Bruders aus. Ich nehme seinen Namen nur in den Mund, wenn es wirklich, wirklich sein muss. Es fällt mir schwer, nach über 25 Jahren. Ob das ein gesünderes Verhalten ist? Ich glaube nicht. Und so denke ich mir nicht zuletzt, selbst wenn mir jemand erzählen würde, sein Diabetes wäre seine Identität. Jo, so be it. Wenns ihn glücklich macht, bin ich die letzte, die irgendwas dazu zu sagen hat. 😀

Hi,
mir fällt zu dem Thema direkt die Stiftung „Dianino“ ein, die mit (ich glaube) ehrenamtlicher Unterstützung Familien unterstützt und in Sachen „Kinder und Diabetes“ toll helfen kann.. informier dich da mal, DAS hätte ich mir zu meiner Jugendzeit mit Diabetes (vor 3 Jahren 🙊) wirklich gewünscht.
Ihr müsst das nicht alleine stemmen.. mit einem Netzwerk klappt es evtl besser 💗
Und zu Dir, liebe Lisa, DANKE, DANKE, DANKE 🙏🏻
Bitte weiter so 👍🏻 🥰
Nix 3 Jahre… 30 Jahre ist das her!!! 😇
Hi Lisa, ich sage Danke für deine Offenheit und nein ich sehe deine Bloggs nicht als jammern! Du spiegelst einfach nur den Alltag wieder und verschönerst nichts daran!
Ich habe eine kleine Tochter ( fast 7), sie hat die Diagnose mit 4 Jahren bekommen. Ich informiere mich natürlich unter Eltern mit betroffenen Kindern, aber viel mehr interessiert mich das Leben nach der Kindheit und natürlich ein Werdegang von Kind bis zum Erwachsenenalter. Wir unterstützen unsere Tochter, wo wir nur können. Allerdings sind wir allmählich langsam ziemlich ratlos, denn die Inklusion von Diabetes Typ1 Kindern in Kindergärten und Schulen ist einfach so gruselig, diese Kinder fallen so durchs Raster, dass es uns einfach nur traurig, aber gleichzeitig wütend macht. Lehrer und Erzieher lehnen Unterstützung ab und Schulbegleitung und Assistenten werden von allen Behörden abgelehnt. Wir kämpfen seit der Diagnose vor 3 Jahren tatsächlich alle 6 Monate erneut im Eilverfahren für die Genehmigungen der Schulbegleitung, damals Kitabegleitung. Ich frage mich, wie die Betroffenen Kindern eine gesunde Beziehung zu ihrer Erkrankung aufbauen sollen, wenn sie überall auf Ablehnung stoßen. Es k…. Mich langsam so an, dass ich die Problematik am liebsten in die Welt hinaus schreien möchte. Unsere Tochter ist zum Beispiel extrem diszipliniert im Umgang der Erkrankung, aber benötigt einfach im Alltag aufgrund des Alters noch etwas Unterstützung, die ihr von allen Seiten verwehrt wird.
Vielleicht magst du dazu im Verlauf auch etwas öffentliche Beiträge erstellen. Die Ausgrenzung muss aufhören.
Ganz liebe Grüße