Nach einigen Monaten hatte ich mir neulich mal wieder einen Sensor für das FreeStyle Libre gegönnt. Als er mich nach 2 Wochen wieder verlassen musste, war ich echt traurig.
Ich war richtig deprimiert und den letzten Tag total niedergeschlagen.
Ich wollte überhaupt nicht, dass die letzten Stunden begannen.
Natürlich war da der logische Gedanke erst mal kräftig über die Krankenkassen und über den Entscheid, dass das Libre nicht in den Hilfsmittelkatalog aufgenommen wurde, zu meckern was das Zeug hält. Ich kannte kein Halten mehr und wetterte drauf los. Ich ging meinem Umfeld bestimmt ganz schön auf die Nerven mit meinem Gehetze gegen all die, die keine Ahnung hatten, wie sehr der Sensor einen das Leben erleichtert und ihn uns dennoch nicht zugestehen wollen. Die haben doch alle keine Ahnung wie es ist wirklich immer mit dieser Krankheit zu leben!
Nachdem ich mich wieder beruhigt und ans blutige Blutzuckermessen gewöhnt hatte, dachte ich noch mal rationaler über all das nach. Anlass war ein Foto im Internet aus dem Jahre 1921. Darauf zu sehen waren ein Arzt und eine Krankenschwester, die ein Bett mit einem Toten schoben. Und obwohl mir längst bewusst war, was dort zu sehen war, schockierte mich der Text:
1921 war die Diagnose Typ 1 Diabetes ein Todesurteil.
Ein Jahr später: In einem Raum voller Kinder, die an Typ 1 Diabetes erkrankt waren und im Koma lagen: Neben den Betten saßen die Mütter der Kinder und warteten auf den unausweichlichen Tod ihrer Kinder.
Ein Arzt kam herein und injizierte jedem Kind das gerade entdeckte Insulin. Ein Kind nach dem anderen erwachte aus dem Koma – sie lebten. Ein Meilenstein, der unser aller Leben veränderte und gerettet hat.
Und heute?
Klar wäre es super schön, wenn die Krankenkasse meine Sensoren übernehmen würde. Da würde wohl niemand nein sagen.
Allgemein ist das Gejammer über die nicht vorhandene Kostenübernahme groß!
Überall liest und hört man von dem großen Elend.
Ich musste wieder an die Geschichten denken, die ich von meiner Mutter kenne, als mein Bruder 1984 an Diabetes erkrankte. Blutzuckerkontrollen nur beim Arzt, zu Hause Messen mit Urin und Buntstiften, feste Essenspläne und Sport, machbar aber eher schwierig.
Ganz zu schweigen von der Geschichte neben dem Foto aus dem Jahre 1921.
Jammern wir auf hohem Niveau?
Ich finde ganz klar: Ja! Wir vergessen so leicht, wie „gut“ wir es heute haben. Damit will ich nichts schön reden, Ihr wisst, dass ich selbst oft genug Probleme mit dem Diabetes habe, aber auf der anderen Seite bin ich echt froh, dass wir all die Möglichkeiten haben, die wir haben.
So viele Dinge, die uns schon helfen das Diabetes-Leben etwas leichter nehmen zu können. Vielleicht sollten wir einfach auch mal dankbar für das sein, was wir haben.
Denn ich bin mir sicher, unsere Zukunft wird noch besser. Irgendwann wird es sicherlich der Standard sein seinen Blutzucker zu scannen – oder wer weiß, was da noch alles kommen mag. CGM, FGM, Closed Loop System und die Stammzellenforschung… es wird an so einigen Dingen geforscht und in den letzten Jahren ging es nun ja recht zügig vorwärts.
Aber Uns kann es nicht schnell genug gehen.
Das verstehe ich, ich würde das alles am liebsten auch jetzt sofort haben.
Aber leider haben wir da oft gar keinen so großen Einfluss drauf. Damit meine ich nicht, dass ihr nicht für Dinge wie die Sensoren, Pumpen oder CGM’s kämpfen sollt – das lohnt sich immer! Aber anstatt uns die Haare grau zu fluchen, sollten wir viel mehr das schätzen, was wir haben und zuversichtlich auf die Zukunft blicken.
Ich persönlich bin ganz gespannt, was auf uns zukommen wird und behaupte einfach mal: die Zukunft wird (was unser Diabetikerdasein betrifft) gar nicht mal so schlecht werden.
In dem Sinne habe ich mein Geld zusammengekratzt, um mir noch mal einen ganzen Monat das blutige Blutzuckermessen zu ersparen und ich werde auch mal einen kleinen Brief an meine Krankenkasse schreiben. Versuchen kann man es schließlich mal. Aber die Welt wird nicht untergehen, wenn nicht. Ich habe 16 Jahre lang ohne diese Sensoren überlebt und ich werde es sicherlich auch noch ein weiteres Jahr schaffen. Und wer weiß, vielleicht ist es dann schon eher die Regel, als die Ausnahme, dass wir unsere Sensoren bekommen.
Lea meint
Ich ertappe mich auch oft beim Jammern, dabei sollten wir uns glücklich schätzen, wie privilegiert wir sind und zwar nicht nur beim Thema Diabetes…
Aber ich denke, solange wir uns dessen bewusst sind, ist ein bisschen Jammern durchaus in Ordnung.. 🙂