Uff, mit diesem Beitrag habe ich mir mal wieder Zeit gelassen. Aber ich wollte für euch das ganze Letzte Jahr, Lottes erstes Lebensjahr Revue passieren lassen. Es mag abgedroschen klingen, aber es ist tatsächlich so: Die Zeit mit Kind verfliegt im Nu und auf der anderen Seite war das erste Jahr so antragend und so viel ist passiert, dass es wirklich nicht leicht ist an alles zu denken.
Ich möchte euch vom Wochenbett, dem Stillen und dem Mamasein mit Typ-1-Diabetes erzählen.
Wie immer gilt, dass ich hier nur von meinen persönlichen Erfahrungen erzähle, die sich grundlegen von den Erlebnissen, Gefühlen und Gedanken anderer unterscheiden können.
Hier findet ihr die Beiträge über meine Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes und hier habe ich euch schon von der Geburt erzählt. Daran möchte ich anknöpfen.
Nach der Geburt

Nach einem Jahr kann ich nach wie vor sagen, dass die Geburt für mich traumhaft abgelaufen ist. Auch oder vielleicht sogar, weil es in einem Kaiserschnitt endete. Für mich war ein Kaiserschnitt von Anfang an eine solide Möglichkeit, über die ich auch immer wieder nachdachte. Die Klinik, in der ich entbunden habe, war ein Penatrialzentrum 1, das war mir tatsächlich wichtig. Da dort aber keine Wunschkaiserschnitte gemacht werden und es medizinisch auch nicht nötig war, planten wir eine normale Geburt. Während der Geburt blieb mein Blutzucker stabil, auch habe ich die anstehende Geburt nicht durch einen Blutzuckerabfall bemerkt. Der Blutzuckerabfall kam erst einige Stunden später, kurz nach einem langen Stillmarathon. Und genau dies sollte mich anschließend einige Monate begleiten.
Ich stellte meine Basalrate wieder auf meine ursprüngliche Basalrate ein, die ich vor der Schwangerschaft hatte. Damals gut 15kg leichter. Denn nein, nicht alle Pfunde verschwinden augenblicklich nach der Geburt. Zumindest nicht bei mir. Mein Insulinbedarf war aber trotzdem sehr niedrig.
Das Wochenbett kostete ich voll aus und nahm mir alle Zeit der Welt. Schon am dritten Tag nach der Geburt konnten wir nach Hause gehen, weil alles super verheilt war, ich mich gut fühlte und sogar schon allein umherlief, um Lotte zu wickeln. Auch Lotte entwickelte sich so gut, dass nichts gegen eine Entlassung sprach. Also ab nach Hause.
Dort hatte Peter schon ein großes Essensaufgebot aufgefahren, das ich mir so sehr gewünscht hatte: Mettbrötchen! Die restliche Zeit im Wochenbett sah dann so aus: schlafen, stillen, essen, schlafen, stillen, essen und umherlaufen. Es war eine schöne erste Zeit und ich war tatsächlich überrascht, dass es nicht so „schlimm“ war, wie ich es befürchtet hatte. Täglich kam unsere Hebamme vorbei und schaute sich meine Narbe und meinen Bauch an. Meine Narbe verheilte äußert schnell und gut, da war sogar meine Hebamme begeistert. Auch Lottes Gewicht und Größe wurden regelmäßig kontrolliert. Ganz langsam wuchsen wir an unseren Aufgaben und wurden zu einer kleinen Familie.
Ich will aber nicht verschweigen, dass es auch genug Momente gab, in denen ich einfach mit dem Baby zusammen weinte. Es ging nicht anders. Der Schlafentzug, das ständige Stillen, die Schmerzen und das schreiende Kind. Manchmal weiß man einfach gar nicht warum das Kind weint oder es lässt sich einfach nicht beruhigen. Dann müssen auch die Emotionen bei den Eltern mal raus – ich ließ ihnen jedes Mal freien Lauf und das war gut. Sonst wäre ich in manchen Momenten vielleicht doch durchgedreht. Zum Glück war Peter bis auf 6 Stunden Arbeit auch immer bei uns, denn weitere Unterstützung hatten wir damals in Kassel leider nicht.
Stillen mit Diabetes

Stillen ist mit Diabetes nicht nur möglich sondern eine ausdrückliche Empfehlung!
Mit dem Stillen hatte ich jedoch so meine Probleme. Erstaunlicherweise mochte ich es mehr, als ich es mir vorher vorgestellt hatte. Doch ohne Schmerzen ging es nicht. Meine Hebamme zeigte mir viele Tipps und Tricks, die es einfacher machten, aber Lotte hatte eben auch ihre Spezialitäten. Dazu gehörte wohl ein sehr ausgeprägter Saugreflex. Schon im Krankenhaus holten mir die Hebammen in der ersten Nacht Kühlpads, Salben, Heilwolle und alles was ihr Repertoire zu bieten hatte. „Wahnsinn, hat die einen Zug drauf. Und bei diesem Appetit müssen wir ihre Brüste ein bisschen pflegen, sonst machen sie das nicht lange mit!“ hieß es direkt am zweiten Tag, nachdem ich gefühlt die ganze Nacht durchgestillt hatte.
Bei meiner Hebamme zu Hause hatte Lotte sofort die Spitznahmen „Piranha und Staubsauger“ weg. Ich vergesse nie die aufgerissenen Augen, als meine Hebamme Lotte einen Finger zum Nuckel gab, um mal zu sehen, wie sie nuckelt. „Kein Wunder, das deine Brutwarzen blutig sind, so einen Zug habe ich selten erlebt – eine richtige kleine Piranha.“ Daran lag es aber nicht allein. Ich musste die Technik, das Sitzen, das Halten, alles erst richtig lernen. Sich einfach so auf die Couch oder ins Bett lümmeln und stillen? Zu Anfang unmöglich. Es ging nur im Stillsessel mit Stillkissen und Fußhocker. Und trotzdem waren meine Brüste wund. Ich versuchte es mit Stillhütchen, um meine offenen Brustwarzen zu schonen, aber damit kamen weder Lotte noch ich richtig zurecht.
Das Stillen war auch auf eine andere Art und Weise anstrengend. Es verbraucht nämlich unheimlich viel Energie. Ohne zusätzliches Essen meinerseits war da nichts zu machen. Manchmal koppelte ich die Pumpe stundenlang ab und landete beim Stillen doch wieder in einer Hypo. Neben meinem Stillplatz war also ein ganzer Korb voller Saft und Süßkram, den ich mir regelmäßig reinfeierte. Gesunde Ernährung… na ja Fehlanzeige.
Lotte wuchs schnell und nahm schnell viel zu. Meine Hebamme war begeistert, meine Milch schien wohl sehr reichhaltig zu sein. Doch das Stillen wollte nicht so recht funktionieren. Meine Neurodermitis kam zurück und machte meine Brustwarzen einfach noch viel wunder und empfindlicher. Wir wurstelten uns so durch. Kühlpads, Cremes, Gels, Heilwolle, Quarkwickel… wir gingen alles durch. Ich fühlte mich bestätigt: Stillen und ich, wir werden keine großen Freunde.
Mittlerweile stille ich nicht mehr und muss sagen, dass ich es manchmal vermisse. Oder sagen wir lieber: nicht das Stillen an sich, aber diese besondere Bindung zwischen Kind und Mama. Ja, es stimmt wirklich. Am Ende war ich trauriger als gedacht, dass es nicht das ganze erste Jahr hielt.
Zurück zur Normalität!?

Nach dem ich mit dem Stillen aufhörte, brauchte ich auch wieder mehr Insulin. Aber es war verhältnismäßig immer noch wenig. So ein Baby hält einen ganz schön auf Trapp. Besonders wenn es anfängt mobil zu werden. Aber auch schon davor. Es gibt keinen routinierten Schlaf- und Wachrythmus, an dem du dich orientieren kannst. Auch feste Essenszeiten sind im Wochenbett mehr oder weniger hinfällig. Es ist eine ganze besondere Zeit und da blieb bei mir keine Zeit und Kraft für den Diabetes.
Dafür packte mich sehr früh die Motivation wieder spazieren zu gehen und so gingen wir schon in den ersten Wochen mehrmals wöchentlich unsere 7-9 km spazieren. Auch das klappte eher selten ohne Hypo. Obwohl ich die Basalrate vorher absenkte und mit höherem Wert losmarschierte. Nach kurzer Anstrengung hieß es meist: Hallo Hypo! Meine Faktoren waren ein Graus! Als wäre ich super, super insulinempfindlich. Theoretisch hätte ich mich mal hinsetzen müssen und die Faktoren neu ausbaldowern müssen. Aber das habe ich einfach nicht geschafft oder konnte mich dazu nie wirklich motivieren. Bis heute nicht. Bis heute stimmen meine Faktoren hinten und vorne nicht und sorgen für Schwankungen, die wahrscheinlich vermeidbar wären. Tja.
Der erste Chef-up beim Diabetologen

Natürlich ging ich aber nach der Geburt zum Check-up bei meiner Diabetologin. Was soll ich sagen? Mein HbA1c war und ist bis heute gut. Nicht höher als 6,8%. Sicher durch ein paar Hypos gekauft. Ich saß so unvorbereitet bei meiner Diabetologin, dass wir nur die Dexcom-Auswertungen hatten. Und da war ihrer Ansicht nach alles ok.
Ich gestand: „Ich kümmere mich momentan gar nicht um meinen Diabetes – ich mache wirklich GAR NICHTS und lasse alles über das DIY Closed-Loop System regeln. Das klappt mal gut, mal weniger gut. Ich müsste das Essen akribischer berechnen und meine Faktoren ändern!“ Meine Diabetologin musterte die Werte und Auswertungen: „Hmm, wenn sie von sich aus sagen, dass sie wieder mehr machen müssen, dann müssen sie es probieren. Aber wenn ich als Ärztin über ihre Werte schaue, kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass wenn es so funktioniert, können sie meinetwegen erstmal so weitermachen!“
Das nahm ich direkt als Freifahrtsschein. Natürlich war nicht geplant, dass diese Phase ein Jahr oder länger dauert, aber hier bin ich nun und es hat sich nach wie vor nichts getan.
Herausforderung Mamasein mit Typ-1-Diabetes

Lotte läuft inzwischen, brabbelt ihre ersten Worte und hat schon eine richtige kleine Persönlichkeit. Es ist schön, all das mitanzusehen. Das Jahr ist so gerast und ich weiß wirklich nicht, wo die Zeit geblieben ist.
Es gab den ein oder anderen Moment, in dem ich den Diabetes verflucht habe. Wenn man eine Hypo hat, das Kind schreit und Hilfe benötigt und man einfach nichts tun kann. Dann ist es selbstverständlich eine so ausgewachsene Hypo, dass du minutenlang selbst hilflos danebensitzt und das Einzige was du deinem Kind anbieten kannst ist eine kaltschweißige, fahrige tätschelnde Hand. Da fühlt man sich als Mama wirklich hilflos. Zum Glück nicht lange und zum Glück kam das auch nur selten vor, aber diese zwei/drei Mal haben mich schon jetzt geprägt. Ich weiß, dass das noch öfter passieren wird. Vielleicht muss mein Kind dann eher für mich da sein, ein seltsames Gefühl.
Auf der anderen Seite habe ich auch meinen Diabetes sträflichste vernachlässigt, wenn man wieder irgendwas passierte, was nicht warten konnte und eigentlich war ich gerade dabei einen neuen Sensor oder einen neuen Katheter zu setzen. Dann kommt eins nach dem anderen und Stunden später fällt einem ein: da war ja was! Der Wert Jenseits von Gut und Böse. Das ist mir zum Glück noch seltener passiert, aber ja, es ist passiert.
Wir sind alles nur Menschen, keine Roboter und ein Kind stellt einen vor neue Herausforderungen. Manchmal ist der Diabetes wie ein Kind, fordert Aufmerksamkeit und man muss sich kümmern, auch wenn einem selbst gerade die Kraft fehlt.
Auf der einen Seite bin ich froh darüber, was wir alles in diesem Jahr geschafft haben, denn das war eine Menge. Auf der anderen Seite wünsche ich mir manchmal mein neugeborenes Baby zurück. Manchmal habe ich sogar das Gefühl mit Kleinkind noch viel mehr an meine Grenzen zu kommen als mit Baby. Na ja, das wird die Zeit zeigen und man wächst ja bekanntlich an seinen Aufgaben.

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