Hey. Ich bin Lisa. Als Kind bekam ich Typ 1 Diabetes und ich sage gleich, wie es ist: Viele Jahre waren mein Diabetes und ich keine guten Freunde. Doch im letzten Oktober ist mir etwas passiert, das mir klar gemacht hat, dass ich mein Leben dringend ändern muss.
Um mich zu motivieren, neue Kontakte zu knüpfen und meinen Diabetes wieder bewusster zu erleben, habe ich mich für diesen Blog entschieden.
Wer ich bin
Ich heiße Lisa und studiere Germanistik. Mein Bruder, der 11 Jahre älter ist als ich, bekam im alter von acht Jahren Typ 1 Diabetes. Durch eine Studie erfuhren wir, dass meine Mutter die Erbträgerin ist. Mit 60 Jahren brach bei ihr nun ein Typ LADA aus.
Als ich gerade sieben Jahre alt war, starb mein anderer Bruder bei einem Verkehrsunfall. Sicherlich hat mich sowohl der Diabetes als auch andere Schicksalsschläge sehr geprägt und mich zu einem nachdenklichen und intensiv lebenden Menschen gemacht. „Man wächst an seinen Aufgaben“, heißt es ja immer. Ich möchte nicht sagen, dass irgendwas davon gut war, aber es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Trotz alledem – oder gerade deswegen liebe ich das Leben. Ich möchte so viel erleben und nichts verpassen. Ich möchte alle Chancen wahrnehmen, die mir das Leben zu bieten hat. Leider habe ich genau das in den letzten Jahren etwas aus dem Auge verloren.
Tag X – Die Diagnose
Es war der 06.12.1999 und ich war gerade 10 Jahre alt. Nikolaus – und ich war endlich nicht mehr krank. Die letzten Wochen hatte ich mich mit einer fiesen Erkältung und einer Mittelohrentzündung herumgeschlagen. Heute stand der Abschlusstermin beim Arzt an. Irgendwie hatte ich seit neustem auch noch eine Entzündung im Mund, die konnte sich der Arzt auch gerne noch mal ansehen. Also fuhr meine Mama gleich morgens mit mir zu unserem Kinderarzt. Wir kannten unseren Kinderarzt persönlich und er kannte auch den Krankheitsverlauf unserer Familie. Wusste, dass mein älterer Bruder Diabetes hat. Deswegen ließ er mich noch eine Urinprobe abgeben. „Nur zur Sicherheit“.
Zu Hause angekommen kam uns gleich meine Oma entgegen. Sie erzählte, dass der Arzt angerufen habe und wir doch bitte schnell zurück rufen sollen. Meine Mama vermutete noch, dass wir etwas in der Praxis vergessen hatten. Während meine Mama telefonierte drückte ich mich in ihrer Nähe herum. Ich hörte nur, wie meine Mutter ganz ruhig am Telefon wurde und sagte: „Dann packe ich jetzt die Sachen für’s Krankenhaus!“ Mein Herz rutschte in die Hose.
Ach du scheiße!! Schon drei Jahre zuvor war es fast dieselbe Situation am Telefon, bei der ich herausfand, dass mein Bruder nie wieder nach Hause kommen würde. Und jetzt das.
Nachdem meine Mutter aufgelegt hatte, brach sie sofort in Tränen aus und umarmte mich. „Was? Was ist denn los?“ Sie setzte sich und nahm mich auf den Schoß. Nach einigen Minuten, in denen sie sich wieder fing und ein Mal tief durchatmete, sagte sie zu mir: „Du hast Diabetes.“ Ich schaute sie fragend an: „Aber wieso weinst du denn? Jan hat das doch auch, dass ist doch gar nicht schlimm.“ Meine Mutter musste schmunzeln und wischte sich die Tränen weg. „Wir müssen jetzt packen – für’s Krankenhaus. Du wirst etwas länger da bleiben. Ich wohl auch.“ Ich sah das Ganze noch als riesiges Abenteuer und war ganz aufgeregt.
Als nächstes erzählte meine Mama alles meiner Oma, die unten im Haus wohnte. Auch sie weinte erstmal und umarmte mich, genau wie mein Papa, der vorzeitig von der Arbeit heim kam. Ich verstand das alles nicht. Was war denn jetzt so furchtbar daran? Mein Bruder war jetzt 21. Hatte Abitur und schloss gerade seine Ausbildung ab. Er wollte studieren gehen, hatte viele Freunde, einen Führerschein und war viel auf Konzerten und Festivals unterwegs. In meinen Augen war mein Bruder nicht krank, er erfreut sich bester Gesundheit.
Am späten Nachmittag erreichten wir die Klinik, die ca. 40km entfernt war. Morgens beim Kinderarzt lag mein Blutzucker um die 400mg/dl, abends im Krankenhaus waren es schon über 900 mg/dl. Das ging also gerade noch mal gut. Ich hatte nur unglaubliche Kopfschmerzen nachdem mein Blutzucker durch den Tropf schnell fiel. Ich schlief schnell ein und wachte erst am nächsten Tag wieder auf.
Als ich dann das erste Mal eine Insulinspritze bekommen sollte, wollte mich die Krankenschwester spritzen. Sofort warf ich dazwischen: „Ich möchte das selbst machen!“ Die Krankenschwester und meine Mama sahen mich verwundert an und mussten sogar etwas lachen. Das hatte einen Grund. Meine Mama erzählte mir mal, dass mein Bruder als Kind panisch Angst vor Spritzen hatte. Und als er mit acht Jahren Diabetes bekam, dachte meine Mutter nur: „Oh Gott, wie soll das nur werden. Jetzt soll ausgerechnet er sich jeden Tag spritzen.“ Er musste sich dann die erste Spritze gleich selbst geben und sah verwundert auf: „das tut ja gar nicht weh!“
Ich wollte genau so tapfer sein wie mein Bruder!
Es folgte fast ein Monat Krankenhaus, in dem auch meine Mutter die Hälfte der Zeit bei mir blieb.
Morgens hatte ich normalen Schulunterricht – die Unterlagen brachte mein Papa, oder meine Freunde aus der Schule. Nachmittags gab es Diabetes-Schulungen. Mir wurde erklärt, was in meinem Körper passiert, was bei mir nun anders ist als bei anderen und wie ich damit umgehen kann. Ernährungsschulungen, gemeinsames Kochen und auch gemeinsame Aktivitäten standen auf dem Tagesplan.
Über Weihnachten durfte ich dann sogar zur Probe nach Hause und nachdem das so super geklappt hatte, musste ich nur noch einen Tag bleiben, bevor ich endgültig nach Hause konnte.
Ich wurde also perfekt vorbereitet.
Das finde ich auch nach wie vor wichtig, um richtig mit seiner Krankheit umzugehen! Wenn ich sehe, wie viele mit der Diagnose allein gelassen werden, bin ich jedes Mal schockiert. Ich fand den Monat im Krankenhaus zwar nicht super, aber rückblickend war es nötig und hat mich auf ein Leben mit Diabetes perfekt vorbereitet!
Pubertät: Dann änderte sich alles
Als ich in die Pubertät kam, veränderte sich mein Körper und mit ihm mein Diabetes.
Fast jede Nacht unterzuckerte ich so heftig, dass ich krampfte und das Bewusstsein verlor. Deswegen musste ich irgendwann sogar bei meiner Mutter schlafen. Ich merkte diese nächtlichen Unterzuckerungen nicht mehr selbst.
Vorher war ich immer ein zierliches und schlankes Mädchen. In dieser Phase nahm ich zu. Leider so viel, sodass ich irgendwann sogar etwas zu viel wog.
Das ganze deprimierte mich so sehr, dass ich anfing mich gehen zu lassen und diese Krankheit zu verfluchen & komplett zu ignorieren.
Zudem wollte ich ein normaler Teenager sein. Feiern gehen, mal was trinken, im Kino alles in mich hineinstopfen. Was man eben so macht in seiner Jugend.
In dieser Zeit lag mein HbA1c-Wert immer zwischen 8% – 11%. Nicht gerade gut, aber die Ärzte und meine Eltern konnten auch soviel auf mich einreden wie sie wollten, dadurch blockte ich nur noch mehr ab. Ein typischer Teenager eben. Eine schwere Zeit, auch für meine Eltern, die sich viele Sorgen machten.
Mit 18 Jahren probierte ich eine Pumpe aus, aber auch das ließ ich nicht richtig an mich heran und befasste mich nur halbherzig damit, sodass es keine wesentliche Verbesserung gab. Als logische Konsequenz genehmigte mir die Krankenkasse die Pumpe nicht. Das war mir jedoch sehr recht.
Erwachsen werden?
Nach meinem Abitur zog ich mit meiner besten Freundin nach Kassel, um zu studieren. Fast 200km entfernt von zu Hause, vom Dorf in die Stadt, vom Bauernhof in eine Wohnung. Näher an meinen Freund, mit dem ich seit fast zwei Jahren eine Fernbeziehung führte. Ich dachte, ich müsste so weit weg, um endlich aus mir herauszukommen.
Zuerst war ich top motiviert und wollte alles ändern. Ich ernährte mich gesund, trieb Sport und nahm etwas ab.
Doch das Studium lief nicht ganz so, wie ich es mir erträumt hatte, sodass ich es erstmal abbrach.
Ich suchte mir einen Nebenjob, bis zum nächsten Semester.
Es war zwar bei Weitem nicht mein erster Job. Ich arbeitete seitdem ich 17 war. Aber in diesem Job wurde ich als 450€ Hilfskraft sehr schlecht behandelt. Ich fing an meine neue Wahlheimat und alles zu hassen.
Ich nahm zwar weiterhin ab, allerdings auf kosten meiner Gesundheit.
Ketoazidotisches Koma & Insulinpurging
Durch das jahrelange Insulinpurging fiel ich im Oktober 2013 ins Koma. Ich landete prompt auf der Intensivstation, auf der ich auch fast zwei Wochen blieb.
Den ganzen Post zu diesem verhängnisvollen Tag findet ihr hier: Tag X Reloaded
Nach dieser Sache wurde mir klar: So kann ich nicht weiter machen. Das ich meinen Diabetes so lange, so vernachlässigt habe, war ein riesen Fehler! Wahrscheinlich habe ich diesen „Arschtritt“ aber gebraucht, um zur Vernunft zu kommen.
Ein Neuanfang?
Heute bin regelmäßig bei meiner Diabetologin, ich habe noch mal eine Schulung gemacht und lebe nun bewusst mit meiner Krankheit und fange wieder an sie zu akzeptieren. Auch an der Diabulimie arbeite ich. Auf diesem Weg soll mir dieser Blog helfen.
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Laura meint
Hey, ich wollte fragen, wie es mit deinem HbA1c so aussieht mittlerweile? Bleibt der eig. bei Typ1 Diabetikern immer gleich und wächst oder kann man den auch verringern wenn man sich gesund ernährt?
Ich bin nämlich 16 Jahre alt, treibe viel Sport & in meiner Familie war nie jemand krank, jedoch liegt mein Blutzucker nüchtern bei 94 und mein HbA1c bei 6, ab 6,5 ist es ja schon Diabetes.. wahrscheinlich kommt das alles von meiner sehr ungesunden Ernährung, aber ich habe gelesen, dass Diabetes 2 nur durch ungesunde Ernährung kombiniert mit Bewegungsmangel & Übergewicht eintritt, was ich ja nicht habe.. also befürchte ich jetzt sehr, dass ich irgendwann (bald?) Diabetes 1 bekomme.. der Arzt will meine Blutwerte in 4 Wochen nochmal messen, doch solange quäle ich mich mit den ganzen Gedanken und versuche sogut wie möglich auf Zucker zu verzichten (20-30gr pro Tag).. aber ich habe trotzdem total Angst, dass mein Wert nicht mehr sinkt & nur noch steigen wird (weil wenn es schon ausgelöst wurde, wird es nur noch schlimmer?) also so denke ich mir das.. ich wurde nicht wirklich aufgeklärt vom Arzt. Könntest du mir vielleicht weiterhelfen mit meinen ganzen Fragen?
Lisa meint
Hallo Laura. Es ist so: Typ 1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung. Die hast sie oder du hast sie nicht. Das heißt es liegt ein Defekt beim Autoimunsystem vor. Bei Typ 1 Diabetikern sind Anti-Körper im Blut, die die Bauchspeicheldrüse angreifen und zerstören, bis sie kaputt ist und kein Insulin produzieren kann. Das hat nichts mit Essen oder dem Gewicht zutun. Typ 1 Diabetiker leiden vor der Diagnose meistens sogar an Untergewicht. Fakt ist, wenn du genetisch diese Anti-Körper im Blut hast (das kann man testen lassen) kann es passieren, das du irgendwann Diabetes bekommst, egal was und wiviel du isst oder ob du dick oder dünn bist.
Typ 2 Diabetes ist in den meisten Fällen tatsächlich eine Folge von Übergewicht, schlechter Ernährung und wenig Bewegung. Aber das muss echt schon dolle sein. Du musst so viel essen und so viel wiegen, dass dein Körper mit der Insulinproduktion nicht hinterher kommt.
Bei beiden Diabetes Typen spielt auch die Veranlagung eine Rolle, hat jemand in deiner Familie Diabetes, bist du gefährdet. Diabetes Typ 1 überspringt oft aber auch Generationen.
Dann gibt es noch einige andere Diabetes Typen, die durch andere Krankheiten, Operationen oder Unfälle entstehen können – aber das sind die wenigsten.
Bei uns Typ 1 Diabetikern ist es so, dass der Hba1c sehr schwanken kann.Je nachdem, wie wir unsere werte im Griff haben. Das heißt wir sollten möglichsten einen HbA1c von 7,0 haben. Dennoch kann er zwischen 6 und – ich sage mal 14 sein. Ich habe auch schon von jemandem gehört, der bei der Diagnose einen Wert von 19 hatte. Also, bei Typ 1 Diabetes merkst du das dann schon ziemlich dolle. Ich hatte bei meiner Diagnose einen Wert von 900.
94 ist als Nüchternwert auch für normale Menschen total ok.
So wie ich das gerade sehe, solltest du dir noch keine großen Sorgen machen. Und auch ganz normal essen. Wenn du Typ 1 bekommen solltest, ist Sport bei zu hohen werten (> 250) sogar gar nicht gut. Warte erst mal die Werte von deinem Arzt ab. wenn Typ 1 Diabetes festliegen würde, hätte er dich wohl noch am selben Tag in ein Krankenhaus überwiesen, aber so scheint alles noch ok zu sein. Mach dich nicht verrückt 😉
Laura meint
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Du hast mich echt beruhigt, ich zähle hier sonst schon die ganzen Zeit den ganzen Zucker und alles was den Blutzuckerspiegel so ansteigen lässt.
Dein Blog ist übrigens super. Diabetes ist eine wirklich ernst zu nehmende Krankheit und viele wissen nicht einmal was davon und wie es überhaupt ist, da ist dein Blog total wichtig, danke! 🙂