Das Diabetes ganz schön auf die Psyche schlagen kann, habe ich schon vor einigen Wochen geschrieben.
Nicht nur durch meine eigene Therapie habe ich mich in der letzten Zeit sehr viel mit dem Thema auseinander gesetzt.
Als ich vor kurzem ein Praktikum bei einer Tageszeitung absolvierte, durfte ich einen Artikel über Diabulimie schreiben, genau mein Thema.
Dafür sprach ich auch mit einigen Ärzten und Betroffenen. Von den fünf Ärzten, die ich ansprach (auf dem Lande gab es schließlich nicht so viele Fachärzte), redete am Ende genau einer mit mir.
Ich muss sagen, das hat mich wirklich schockiert!
„Diabulimie“ und „Insulin-Purging“ – Begriffe waren unbekannt.
Sobald ich Essstörungen bei Diabetes ansprach, ließen zwar einige durchblitzen, dass sie damit Erfahrungen haben, aber Auskünfte wollte mir keiner geben.
Und das obwohl ich ganz klar meine Intention darstellte:
„Ich bin selbst Betroffene und schreibe sogar einen Blog darüber, den Sie sich gerne ansehen können. Ich will gar nichts von Ihnen wissen, was unter die ärztliche Schweigepflicht fällt, nur ein paar allgemeine Fragen über Essstörungen bei Diabetes.“
„Darüber können wir Ihnen nichts sagen“,
hieß es in vier von fünf Fällen.
Ich war wirklich frustriert und richtig wütend. Teilweise kam ich mir vor, als wolle ich etwas Böses.
Aufklärung muss sein!
Schon lange merke ich, dass das Thema Diabulimie nicht so bekannt ist, wie es vielleicht sein sollte. Ich selbst kannte diese ganzen Begriffe nicht, als ich mit dem Bloggen anfing und wurde erst durch eine Leserin darauf aufmerksam gemacht.
Fakt ist, man muss diese Begriffe nicht kennen um es zu praktizieren – aber um eine Diagnose stellen zu können, wäre dieses Wissen sehr von Vorteil.
Essstörungen werden bei Diabetikern selten diagnostiziert, wurde mir erklärt. Man achtet einfach nicht darauf und tut das Verhalten gerne mal als „Null-Bock-Phase“ ab.
Ich habe es mir nun zur Aufgabe gemacht, nicht nur Betroffene und Angehörige, sondern auch Ärzte darauf aufmerksam zu machen. Es gibt keinen Grund dieses Thema so hinter verschlossenen Türen zu behandeln.
Ich stecke mittendrin, ich kommuniziere viel mit den Betroffenen und würde am liebsten herausschreien:
„Hier sind wir, es gibt uns, ignoriert das nicht. Redet über dieses Problem, denn es ist da!“
Dem Arzt, der mir am Ende meine drei, vier Fragen beantwortete war ich überaus dankbar. Er erzählte mir unter anderem, dass es speziell ausgebildete Psychologen für Menschen mit Diabetes gibt. Psychodiabetologen.
„Der Bedarf ist ganz klar da, aber es gibt noch viel zu wenige davon“.
Daraufhin recherchierte ich mehr zu diesem Thema, denn es interessierte mich besonders. In der Stadt, in der ich lebe, fand ich erst mal keinen. In meiner Heimat eine – im Umkreis von 50km, Jedoch nur für Kinder und Jugendliche. „Wenige davon“ schien schon mal definitiv zu stimmen.
Als eine Woche nach dem Erscheinen meines Artikels, in der Zeitung, ein Leserbrief hereinschneite, in dem mir vorgeworfen wurde, es wäre verletzend von Psychodiabetologen zu sprechen, obwohl „so eine Behandlung auf dem Lande utopisch sei“ musste ich es selbstverständlich noch genauer wissen.
Klar wusste ich, dass der Bedarf vorhanden ist. Alleine durch die Kontakte, die ich durch diesen Blog knüpfen durfte. So erfuhr ich von einer Person, die eine Therapie bei einem solchen Therapeuten in Anspruch nahm und von zahlreichen anderen, die dies gerne versuchen würden. Doch die meisten wissen gar nicht, dass es solche Leute gibt. Als ich eine Umfrage unter Diabetikern durchführte, hatten ganze 73% ( 99 von 135) noch nie davon gehört.
Was sind Psychodiabetologen ?
Psychodiabetologen sind Psychologen, die sich durch Weiterbildung auf Patienten mit Diabetes spezialisieren. Zum Beispiel beim DDG.
Leider ist erst in jüngster Zeit immer mehr deutlich geworden, dass Diabetes auch ganz klare Auswirkungen auf die Psyche hat. Alleine die Diagnose ändert das Leben der Betroffenen grundlegend. Auch wenn man heutzutage super mit dem Diabetes leben kann, schützt einem das nicht unbedingt vor psychischen Belastungen.
Die Gefahr an Depressionen zu erleiden ist bei Diabetikern doppelt so hoch, genau wie die Gefahr an einer Essstörung zu erkranken.
Immerhin müssen wir 24/7 für diese Krankheit da sein. Unser Essen berechnen, spritzen, Nadeln und Katheter wechseln, Blutzucker messen und alles mögliche ausrechnen. Urlaub vom Diabetes, den gibt es schlichtweg nicht.
Die Angst vor Folgeerkrankungen ist bei vielen groß, so wie bei anderen die Angst zuzunehmen.
Und Blutzuckerschwankungen und zu hohe Werte begünstigen sogar Depressionen.
Im besten Fall kennen Psychodiabetologen alle diese Problematiken und beschäftigen sich außerdem mit Motivations- und Akzeptanzproblemen bei ihren Patienten.
Das ein Bedarf an Therapeuten da ist, ist also gar nicht abwegig. Wäre es nicht wunderbar, wenn man seinem Therapeuten den Diabetes nicht mehr erklären müsste und er Erfahrungen im Bereich der Depressionen bei Diabetes hat? Auf eure individuellen Bedürfnisse eingehen kann?
Genau! Fast unfassbar, dass solche Weiterbildungen erst seit „kurzem“ vorhanden sind.
Auch in anderen Bereichen gibt es längst spezielle Psychotherapeuten. Mit am bekanntesten und weit verbreitetsten ist dabei die Psychoonkologie.
Ich selbst bin mit meiner „normalen“ Therapie zufrieden. Hätte ich aber die Möglichkeit, würde ich sicherlich auch mal zu einem Psychodiabetologen gehen. Aber wie gesagt: Es ist momentan noch etwas schwierig einen zu finden.
Meistens arbeiten Psychodiabetologen noch in speziellen Einrichtungen und Kliniken, wie in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim oder im Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover.
Wer wirklich auf der Suche nach fachspezifischer Hilfe ist, der kann hier nach einem Psychodiabetologen in seiner Nähe suchen
Auch Hilfe für Angehörige
Auch die Belastung für Angehörige darf man nicht unterschätzen. Besonders nicht die der Eltern. Ich weiß selbst, dass mich der Diabetes als Kind kaum gejuckt hat. Bei meinen Eltern sah das Ganze aber schon anders aus. Besonders, da sie gleich zwei Kinder mit Diabetes haben. Ich glaube, meine Mama hat selten einen Tag erlebt, an dem sie sich nicht Sorgen und Gedanken um ihre Kinder gemacht hat und unzählige Nächte wach blieb um auf mich aufzupassen. Damit ich weiter schlafen konnte und am nächsten Tag fit für die Schule war.
Auch Beziehungen kann der Diabetes manchmal zur Last fallen.
Bei all solchen Sachen bewirken Therapeuten manchmal Wunder und Psychodiabetologen können uns und unsere Angehörigen noch ein Stück besser verstehen und auch beraten.
lila meint
Ich hatte das Glück, dass es in meiner Stadt eine ganze Abteilung zur Psychodiabetologie gibt! Das hat mich gerettet!Wer in der Region Mainz Hilfe sucht findet diese in der Psychologischen Institutsambulanz…meine Psychodiabetologin hieß Dr.Ulrike Löw und ich kann sie wirklich empfehlen!