„Vielleicht ist das jetzt die Chance sich zum ersten Mal positiv rund zu fühlen. Viele Frauen berichten, dass sie sich in der Schwangerschaft so richtig schön… „komplett“ fühlen, von innen heraus.“, erklärte mir die Hebamme in meiner Frauenarztpraxis als ich ihr erzählte, dass ich mich vor der Schwangerschaft immer wieder mit dem Thema Essstörung konfrontiert sah.
Bisher hat sich dieses schöne Gefühl, von dem tatsächlich viele Schwangere berichten bei mir nicht eingestellt. Dabei dachte ich immer, dass ich tatsächlich so ein Kandidat wäre. „Wenn ich mal schwanger bin“, dachte ich immer, „ist das für mich selbst und meinen Körper so ein Wunder, an dem ich immer starke Zweifel hatte, dass ich sicherlich alles daran lieben werde.“
Mir geht es gut. Wäre da nicht der Bauch…
Doch so ist es bisher nicht gekommen. Im ersten Trimester ging es mir eben auch nicht besonders gut. Ich hatte viel mit Übelkeit, Sodbrennen und übermäßigem Speichelfluss zutun. Jetzt, im zweiten Trimester, geht es mir wirklich gut, körperlich. Keine Übelkeit, kein Sodbrennen, nur der heftige Speichelfluss ist geblieben. Aber es gibt Tage, an denen ich mich ganz normal fühle. Fast erschreckend unschwanger. Wäre da nicht der Bauch.
Den Bauch kann man mittlerweile nicht mehr leugnen. Besonders in den letzten Tagen hat er wieder Wachstumsschübe vorgelegt, sodass Peter und ich teilweise schockiert feststellen mussten, wie schnell alles geht. Und während Peter gar nicht mehr aus dem Schwärmen herauskommt, mir tausend Mal am Tag erzählt wie süß und toll er mich findet, meinen Bauch streichelt und küsst, desto mehr wünsche ich mir, dass die Zeit jetzt schnell vorbei geht.
Fremd im eigenen Körper
„Von innen komplettiert“. So fühle ich mich nicht. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall. Ich fühle mich innerlich eher halbiert. Als sei in meinem eigenen Körper nicht genügend Platz für mich selbst. Als wäre ich eine fremde im eigenen Körper, die nur geduldet ist. Oft plagen mich Gefühle wie Heimweh und ich werde traurig. Ich vermisse irgendwas und kann es doch nicht einmal richtig benennen. Dieser Körper ist mir nur so fremd, ich bin mir so fremd. Durch die Schwangerschaft hat sich nicht nur mein Körpergefühl, sondern zum Beispiel auch mein eigener Körpergeruch verändert. Und den kann ich so gar nicht riechen. Im ersten Trimester wurde mir sogar regelrecht übel davon und ich stand ständig unter der Dusche und verbrauchte ein Deo nach dem anderen. Mittlerweile ist es nicht mehr so schlimm, aber dennoch fremd. Meine Haut wirkt und reagiert auf alles ganz anders und wie sich der Bauch anfühlt, das kann ich kaum beschreiben. Einfach ein Ungleichgewicht.
Es ist mir unangenehm meinen Bauch anzufassen. Deswegen cremt Peter ihn morgens und abends ein und selbst dann möchte ich am liebstem im Erdboden versinken. Bevor ich das Haus verlasse ziehe ich mich mehrmals um, bis ich ein Outfit gefunden habe, in dem ich mich wohl fühle, in dem ich irgendwie „Lisa“ sein kann.
Solche Gefühle kann es geben!
Das klingt jetzt alles ganz schön hart. Aber genau das sind Gedanken und Gefühle, die ich die meiste Zeit über habe. Dennoch hat das rein gar nichts damit zu tun, dass ich mich nicht unfassbar dolle auf unser Baby freuen würde. Ich kann es, wie gesagt, kaum abwarten. Und zwar nicht nur, weil ich scheinbar nicht gerne schwanger bin, sondern auch, weil ich diesen kleinen Menschen endlich bei uns haben möchte. Ihn kennenlernen möchte. Ich empfinde schon jetzt so viel Liebe für dieses kleine Wesen, dass ich auch dafür nur schwer die richtigen Worte finden kann. Beim Versuch kommen mir schon fast die Tränen. Und so würde ich auch nie etwas riskieren, was dem Baby schaden könnte. Ich mache also alles brav mit, was so eine Schwangerschaft mit sich bringt. Und ich tue es gerne. Auch gibt es bisher nichts, was ich bereue. All diese Gefühle existieren neben den seltsamen Gefühlen, die ich zu meinem Körper habe. Und es lässt sich sogar irgendwie vereinen. Es ist okay. „Immerhin“, sage ich mir, „Immerhin sind es nur 9 Monate meines Lebens“. Und auch wenn danach mein Leben erst recht auf den Kopf gestellt werden mag, werde ich zumindest meinen Körper wieder für mich haben. Das kann ich kaum erwarten und ich schäme mich auch nicht, das so zu sagen. Denn ich habe gelernt, dass es einigen so geht wie mir. Nicht jede Frau liebt es schwanger zu sein. Nicht für jede Frau ist es das erfüllenste Gefühl der Welt. Und beides ist absolut in Ordnung. Es sollte nur eben auch beide Seiten beleuchtet werden dürfen. Gerade in den Facebook-Gruppen haben viele Frauen Angst diese Gefühle und Gedanken zu schildern. „Ich werde verurteilt“, heißt es dann oft und nicht selten geht es in den Kommentaren auch genau damit weiter.
Schwangerschaft und Essstörung – ein Thema, über das gesprochen werden darf und muss
Besonders wenn man vielleicht Probleme mit einer Essstörung oder dem Selbstbild hat, kann es eben durchaus passieren, dass einen die Schwangerschaft nicht nur positive Gefühle diesbezüglich bietet. Es ist ein großes und wichtiges Thema: „Schwanger und Essstörung“. Das habe ich in den letzten Monaten erfahren und gelernt. Gesprochen wird darüber fast genau so wenig wie über „Diabetes und Essstörungen“.
Doch ich habe es noch gut getroffen, wie ich finde. Einige schaffen es nicht, ihre Gewohnheiten aus der Essstörung der Schwangerschaft unterzuordnen.
Ich struggle zwar mit meinem Körpergefühl, habe aber keinerlei Schwierigkeiten normal zu essen. Auf das Kalorienzählen habe ich von heute auf morgen komplett verzichtet und Sport war sowieso erstmal kaum möglich. Bei mir führte das natürlich dazu, dass ich in den ersten Wochen extrem schnell zunahm. Na klar, noch eine Woche vorher hatte ich meinen Körper und meinen Stoffwechsel extrem in die Unterversorgung getrieben. Das sich der Körper jetzt, wo er normales Essen in normalen Portionsgröße bekam, alles wiederholte, ist klar. Endlich musste er nicht mehr auf Sparflamme leben. Und man kennt es ja: Der Körper hat Angst vor einem erneuten „Notmodus“ und speichert erstmal alles, was er speichern kann. Das ist auch mir passiert. Und ich habe es hingenommen. Ich habe es nicht abgefeiert, aber ich wusste, dass es der einzig richtige Weg ist. Und deswegen bin ich ihn gegangen und würde es auch jeder Zeit wieder tun.
Nur merke ich auch, wie gerne oder ungerne ich mir Fotos von mir von vor einem halben Jahr ansehe, als ich mein Traumgewicht erreicht hatte. Ich bin wehmütig und werde traurig, auf der anderen Seite sehe ich mir diese Fotos an, um Frieden mit meinem Körper zu schließen. Ich weiß nicht, wie es nach der Schwangerschaft aussehen wird. Ich weiß nicht, ob und wie schnell ich wieder etwas an Gewicht verlieren werde. Aber das ist auch gar nicht so wichtig. Ich werde mit Sicherheit erst einmal ganz andere Probleme und Gedanken haben. Vielleicht wird mein Gewicht auch nie wieder dieselbe Rolle spielen wie vorher. Vielleicht hat mir die Schwangerschaft dann doch etwas gelernt. Vielleicht.
Schreibe einen Kommentar