In letzter Zeit ließt man immer häufiger vom Diabetes Typ F. Typ F steht für „Freunde und Familie“. Auch ich habe einige Typ F-ler. Drei von ihnen möchte ich Euch in einer Reihe vorstellen.
Alle drei haben einen Orden verdient, weil sie immer für mich da waren und mir zur Seite stehen, wenn ich sie brauche.
Anfangen möchte ich heute mit meinem Freund.
Peter, auch Pit genannt und ich sind nun seit fast 4 Jahren zusammen. Den Diabetes zähmen wir beide aber erst 1,5 Jahren gemeinsam.
Als wir uns kennenlernten und zusammen kamen ignorierte ich den Diabetes. Mein Freund bekam von der Krankheit nichts mit. Immer wieder war er nur erstaunt, wie gut und leicht so ein Diabetes zu händeln ist. Anders kannte er die Situation nicht. Ich gab ihm auch keine anderen Möglichkeiten.
Seit meinem ketoazidotischen Koma 2013 hilft er mir wo er nur kann. Er geht mit mir zusammen zu den Schulungen, schätzt BE’s, rechnet mit mir mein Insulin aus, leistet erste Hilfe, wenn ich sie brauche und bleibt oft lange wach, wenn meine Werte nach einer Feier mal verrückt spielen.
Das sagt Pit
Genau erinnere ich mich nicht mehr daran, wie der Diabetes das erste Mal zur Sprache gekommen ist, ich wusste allerdings recht früh von ihrer Krankheit. Damals wie auch heute war die Krankheit ein Teil von ihr, wenn auch kein von ihr besonders gemochter. Ich hatte keinerlei Berührungsängste oder war abgeschreckt, als ich davon erfuhr. Mir ging es ja, als wir uns damals kennengelernt haben auch vielmehr um den Menschen und nicht um all die Bürden, die jeder von uns mit sich rumschleppen muss. Wenn es danach geht ist keiner von uns komplett unbelastet.
Die Anfangszeit
Besonders in der Anfangszeit habe ich allerdings unterschätzt, wie viel Kraft und Zeit man doch investieren muss, um vernünftig mit seinem Diabetes umzugehen.
Der Schock kam erst, als Lisa im Krankenhaus lag und fast gestorben wäre, nur weil sie aus Desinteresse schlampig mit ihrem Diabetes umgegangen ist. Das soll aber unter keinen Umständen wie ein Vorwurf klingen – ich an ihrer Stelle wäre wohl schon längst tot gewesen in so einer Situation. Mir fehlt die stoische Konsequenz, um über Jahre hinweg ständig aufmerksam auf jeden noch so kleinen Furz zu achten, der da gefährlich werden könnte.
Deshalb kann ich auch verstehen, dass besonders nach etlichen Jahren dieses dauernde Aufpassen anfängt einen fertig zu machen und man versucht alles von einem wegzuschieben. Lisa hat all das häufig drastisch heruntergespielt. Ich weiß nicht, wie oft ich gehört hab, dass das alles gar nicht so schlimm sei.
Sie hat es darüber hinaus auch recht leicht aussehen lassen sich um ihren Zucker zu kümmern, das wirkte schon fast zu gelassen, um für mich manchmal noch wirklich als ernstzunehmende Krankheit durchzugehen. Der Diabetes war damals zwar da, aber bedrohlich? Zur Hölle, nein.
Das war natürlich Bullshit, auch wenn ich das nicht wirklich verstanden hatte, bis zu ihrem Zusammenbruch und den Nachwirkungen. Als ich dann doch begann mich auch mit der Krankheit aus eigenen Stücken auseinanderzusetzen.
Bis dahin stand ich der Krankheit neutral gegenüber. Sie war für mich weder hinderlich, noch verlangte es mir irgendwas ab. Immerhin war ich ja von uns beiden nicht der Diabetiker.
„Erst da wurde mir die Tragweite dessen klar, was wirklich die erste Zeit passiert war.“
Auf einen Schlag ergaben auch viele Ungereimtheiten einen Sinn. Sei es die inzwischen verschwundene Neurodermitis oder der chronisch leichte Geruch von Aceton an Lisa, den ich aber erst dann wahrnahm, als er verschwunden war.
Teilweise war es ein wenig gruselig sich direkt Bilder der Spätfolgen anzusehen und zu erkennen, was die schlimmstmöglichen Szenarien waren, wenn ich nicht mit ihr zusammen dagegen kämpfe.
Zu dem Zeitpunkt hatte mir die Situation auch einen recht kräftigen Stich versetzt, weil ich tatsächlich gedankenlos genug war, mich nicht nur überhaupt nicht um den Diabetes zu kümmern, sondern in meiner schlecht informierten Dummheit das eine oder andere mal sogar noch einen schlechten Einfluss auf sie und ihre Entscheidungen gehabt haben muss. Ich war definitiv an den Ereignissen nicht unschuldig.
Ich stellte mich danach der Aufgabe auch von meiner Seite mehr Verantwortung zu zeigen und verfolgte ihren Fortschritt nun stärker. Auch heute noch kontrolliere ich stichprobenartig ihre Werte in dem Bestreben sie damit zu motivieren. Auch mein Lebensstil hat sich durch den Diabetes geändert, allerdings nicht so sehr, dass es mich in irgendeiner Weise meiner Lebensqualität berauben würde. Ich bin mir meiner Verantwortung inzwischen bewusst, immer ein Auge auf Lisa zu haben, um im Ernstfall als kompetenter Helfer da sein zu können.
Darüber hinaus erfordert es auch gewisse Vorsichtsmaßnahmen bei allen möglichen Dingen. Vom Sport über Ausflügen und Urlaube. Der Diabetes ist immer ein Faktor, den wir beide mit berücksichtigen müssen.
Zugegeben, das verkompliziert einige Dinge schon und hat mich so manche schlaflose Nacht gekostet, aber so schnell, wie diese vereinzelten schlechten Tage kommen, so schnell sind sie bei mir aus dem Gedächtnis auch wieder gelöscht.
Diabetes in einer Beziehung
Doch stört mich das ganze so sehr, oder war dies je ein Grund für mich meine Beziehung in Frage zu stellen?
Definitiv nicht.
Genau wie schon damals sind für mich Gebrechen kein Grund jemanden, den man liebt im Stich zu lassen. Liebe urteilt nicht, sie akzeptiert bedingungslos.
Ich denke auch oft darüber nach, was uns wohl die Zukunft bringen wird – oder vielmehr für diesen Gasteintrag relevanter – was sie allen Diabetikern bringen wird. Als chronischer Optimist, Idealist und Technik-Guru bringt Sie für mich die endgültige Heilung von Diabetes innerhalb der nächsten 20-30 Jahre. Unsere rasante Beschleunigung im Hinblick auf unsere technische Entwicklung wird dafür sorgen, dass nicht nur Diabetes, sondern auch nahezu alle anderen schwerwiegenden Krankheiten auf lange Sicht von uns besiegt werden können. Wer hätte vor 20 Jahren unsere heutigen technischen Möglichkeiten prognostizieren können? Also bleibt für mich auch weiterhin der Traum, dass vielleicht für alle Betroffenen irgendwann die Krankheit, wie viele weitere Krankheiten auch, nur noch eine düstere Erinnerung sein wird.
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