Meine Mama erzählt gerne, dass ich mich nie über meinen Diabetes beschwert habe, gerade als Kind. Kein: „Diabetes ist doof“ „ich will das nicht!“ oder: „wieso habe ich Diabetes?“. Ganz anders als mein Bruder, der schon 12 Jahre vor mir die Diagnose Typ 1 Diabetes bekam und als Kind öfter mal keine Lust mehr auf den Diabetes hatte (allerdings war die Diabetestheraphie in den 80ern auch noch sehr viel strenger). Mittlerweile habe ich aber gelernt, dass es okay ist mal zu sagen: „Diabetes ist doof“. Denn das ist er manchmal schon, oder?
Keine Sonderbehandlung, keine Extrawurst

Natürlich fand ich es als Kind uncool nur Gurke und Paprika zu essen, wenn mein Ernährungsplan gerade keine Zwischenmahlzeit hergab. Und es gab auch die ein oder andere Diskussion, wenn ich als Kind abends meine vorgeschriebenen Kohlenhydrate nicht aufessen wollte. Aber ich schluckte es einfach runter, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ich wollte nicht schwach wirken, ich war fast davon besessen meinen Diabetes nicht zur Sprache zu bringen und allen Menschen zu zeigen wie unfassbar normal ich bin. Das ich keine Sonderbehandlung brauche, keine Extrawurst oder sonst was. Außerdem war der Tod meines anderen Bruders noch relativ frisch, da wollte ich nicht rumheulen, wegen einer Krankheit, die in meinen Augen nicht schlimm war. Ich sah meinen anderen erwachsenen Bruder, wie er alles konnte und alles machte.
Wegen meines Diabetes habe ich auch kaum während meiner schulischen Laufbahn gefehlt. Die Male, bei denen das der Fall war, könnte ich an einer Hand abzählen. Wenn es aber doch mal dazu kam, habe ich mir Ausreden einfallen lassen. Andere Wehwehchen, andere Krankheiten oder Probleme weswegen ich fehle. Ich wollte einfach nicht, dass mein Diabetes Aufmerksamkeit bekommt. Nicht, dass es irgendwann doch mal heißt: „die wieder, mit ihrem Diabetes“ oder „die ist ja sowieso krank“. Krank habe ich mich nie gefühlt und wollte deswegen in der Schule – und auch sonst nicht – die Kranke sein.
Unterzuckerungen – mein Kryptonit

Trotzdem gibt es eine Sache, ja wirklich eine Sache, die mich hin und wieder in Wutausbrüche, Trauer und Unverständnis katapultiert: Unterzuckerungen. Wenn man mich fragt, was ich am nervigsten, blödesten, am schlimmsten am Diabetes finde, dann sind es Unterzuckerungen!
Dieses Gefühl der Schwäche, des leichten Kontrollverlustes, der Körper auf Sparflamme im Überlebensmodus. Diese Gefühle, kann ich so gar nicht leiden und reagiere fast allergisch darauf. So ganz kann ich es nicht erklären, auch wenn ich meine Gefühle erklären kann, kann ich nicht sagen, warum mich dieses Schwächegefühl bei Unterzuckerungen fertig macht. Es ist quasi mein Kryptonit. Nicht das tun zu können, was sonst absolut kein Problem darstellt. Eine Zwangspause. Der schwache Körper, der eigentlich gar nicht schwach ist. Da werde ich zuerst furchtbar sauer – gut, bei Unterzuckerungen werde ich allgemein oft aggressiv. Meine Familie und Freunde merken dadurch häufig vor mir, dass mein Wert zu niedrig ist. „Boha, du bist grad echt aggressiv und zickig… bist du niedrig?“
Nach der Wut kommt meistens die Trauer. Das passiert nicht oft, aber manchmal bin ich dann wirklich den Tränen nahe und dann kommt tatsächlich auch der Gedanke „warum muss ich Diabetes haben!?“ damit steigere ich mich dann tatsächlich in eine irrationale Krise. Aber zum Glück sind Unterzuckerungen meistens schnell behandelt. So bald mein Wert wieder steigt, ich wieder normal denken kann, verfliegt auch die Wut und Trauer. Ist die Unterzuckerung fort, ist die emotionale Krise passé und vergessen.
Nach der Unterzuckerung

Danach denke ich dann oft: „meine Güte, was ist denn nur mit dir los? Du hattest in deinem Leben schon so viele Unterzuckerungen. Du weißt, wie es abläuft, dass alles wieder gut wird, dass nichts passiert und du gleich wieder weiter machen kannst. Bleib mal locker!!!“
Ich hatte zwar auch schon ein paar schwere Unterzuckerungen mit Bewusstlosigkeit und Krämpfen, aber bis auf zwei Mal, habe ich diese vorher nie kommen gemerkt. Deswegen ist meine Devise eigentlich: Wenn ich die Unterzuckerung merke, ist das schon die halbe Miete, denn dann geht eigentlich immer alles gut. Natürlich gingen bisher auch alle schweren Unterzuckerungen gut, aber in diesem Beitrag habe ich erklärt, wie sehr mich manchmal die Bewusstlosigkeit noch Tage später beschäftigt.
So, nun aber genug aufgeregt. Nur hatte ich neulich wieder einmal so eine Unterzuckerung, bei der ich alleine bei meinen Eltern in der Nacht das ganze Haus nach Zucker durchsuchte und echt genervt war. Da musste dieser Artikel jetzt einfach mal raus, vielleicht kennt ja der eine oder andere von euch diese Wut über die Hilflosigkeit und Schwäche. Denn mal ehrlich, wenn ich eins nicht bin, dann ist das hilflos oder schwach sein!
Lasst euch nicht unterkriegen, auch nicht von Unterzuckerungen. Sie gehen meist so schnell, wie sie gekommen sind 😉

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