Mein geliebter Freund hat vor einiger Zeit meine verschiedenen Unterzuckerungen beschrieben und wie er als Typ F’ler damit umgeht(Peters ultimativer Überlebensguide für den normalen Hypowahnsinn). Das war ja auch alles ganz lustig und ich gebe ihm auch vollkommen recht, aber nun möchte ich das Ganze auch mal aus meiner Sicht schildern.
Natürlich bin ich nicht die erste mit Diabetes, die versucht Unterzuckerungen in Kategorien aufzuteilen und in Worte zu fassen. Das haben natürlich schon andere, tolle Blogger vor mir getan (eine kleine Auswahl findet ihr am Ende des Beitrages), aber ein bisschen individuell sind wir ja alle – und auch die Hypos. Ist überhaupt eine Hypo so wie die andere?
Die vorhersehbare Unterzuckerung
Manche Unterzuckerungen schleichen sich langsam an. Einen Teil davon merke ich auch früh genug, sodass ich eingreifen kann, bevor es noch schlimmer wird. Hier reicht es manchmal schon aus, wenn ich meine Basalrate pausieren lasse. Oder ich stelle meine körperliche Aktivität ein. Falls die Unterzuckerung aber schon etwas fortgeschrittener ist, reicht hier eine Kleinigkeit zu Essen oder zu Trinken, um nicht in den kritischen Bereich abzufallen.
Solche Unterzuckerungen merke ich daran, dass ich plötzlich nervös werde, kaum still sitzen kann und hektisch werde. Da wenn es eigentlich keinen Grund zum „hektisch werden“ gibt, dann weiß ich, ich sollte mal besser meinen Blutzucker kontrollieren.
Das ist dann auch oft die Unterzuckerung, die ich selbst noch gar nicht merke. Bevor ich meine Nervosität spüre, merkt mein Freund schon vorher, dass mit mir etwas nicht stimmt.
Die unvorhersehbare Unterzuckerung.
Das genau Gegenteil von Nr. 1. Die unvorhersehbare Unterzuckerung ist auch noch leicht und nicht dramatisch, aber sie schleicht sich an und macht sich erst bemerkbar, wenn sich der Blutzucker schon der unteren Grenze nähert. Ich selbst merke das dann daran, dass ich plötzlich nicht mehr klar denken kann. Sätze muss ich mehrmals lesen, um sie zu verstehen.
Sätze die ich schreibe, werden totaler Murks und auch bei Filmen oder Musik brauche ich sehr viel länger, um zu verstehen, was da los ist. Hier wird es dringend Zeit, den Blutzucker zu messen. Wenn ich dann die Zahl auf meinem Messgerät sehe und sie ist unter 80 werden die Symptome dann meist noch schlimmer. Als wenn man es erst realisiert, wenn man die Zahl vor Augen hat.
Die nach/bei dem Sport
Ist ja fast schon der Klassiker. Zumindest für mich. Auch wenn ich heute Trainieren kann ohne eine Unterzuckerung zu bekommen, erinnere ich mich doch an zahlreiche Unterzuckerungen nach dem Sport. Heute passiert mir das eher beim Putzen und aufräumen. Da vergesse ich vorher ganz oft die Basalrate zu minimieren und schlittere in eine Hypo.
Plötzlich wird man schlapp und zittrig und muss erstmal eine Zwangspause einlegen. Absolut nervig, aber etwas essen und sich kurz ausruhen ist dann ein absolutes Muss. Solche Hypos nerven mich immer am meisten, da man zwar versuchen kann sie vorher einzuschränken (Basalrate minimieren, Pumpe ausstellen, etwas vorsorglich Essen etc.) aber hin und wieder bringt das alles nichts und man endet doch wieder bei einem zu niedrigen Blutzucker. Und gerade das „Ich will, kann gerade aber nicht“ beim Sport, Putzen etc. regt mich persönlich immer total auf. Ich hasse Zwangspausen 😀
Die schwere Unterzuckerung
Die schwere Unterzuckerung merke ich meist viel zu spät. Dann schlägt sie ein, wie eine Bombe und all meine Versuche mir selbst zu helfen scheitern. Das ist z.B. der Moment, in dem du den Orangensaft hinunterschüttest, aber gleichzeitig merkst du, dass es schon viel zu spät ist.
Das nächste was du dann siehst, ist wie der Sanitäter eine Nadel aus deinem Körper zieht, dir noch schnell ein Traubenzucker in den Mund steckt und gefühlt 100 Leute auf dich einreden. „Alles gut, Lisa. Du musst nur schlucken! Schlucken!“ Der Tag ist dann gelaufen und vollkommen im Eimer. Meistens fehlen mir sogar die letzten zwei Tage. Die Erinnerungen kommen zwar schnell wieder, aber der Moment kurz davon bleibt meistens verschollen.
Dazu kommt dann ein ganz toller Muskelkater in jedem Muskel deines Körpers. So, als wärst du einen Marathon gelaufen. Dieser Muskelkater kommt vom Krampfen während einer schweren Unterzuckerung. Schön ist anders.
Die schnelle Unterzuckerung
Die schnelle Unterzuckerung kann schnell zu einer schweren Unterzuckerung werden. Sie schlägt ebenfalls ein wie eine Bombe und urplötzlich – aus dem Nichts heraus- merkst du „verdammt, ich bin niedrig. Ich brauche jetzt wirklich dringend Zucker!“ Der Unterschied hierbei: Du bist noch schnell genug. Der O-Saft fängt an zu wirken und ganz langsam merkst du, wie es besser wird. Ich habe danach nur meistens unheimlich dolle Kopfschmerzen.
Die nächtliche Unterzuckerung
Eine Zeitlang habe ich meine nächtlichen Unterzuckerungen immer überschlafen. Ich bin einfach nicht aufgewacht. Ihr könnt euch vorstellen, was dann passiert ist. Ich bin bewusstlos geworden und irgendwann war ich wieder da. Manchmal habe ich es am nächsten Morgen nur gemerkt, weil meine Werte super hoch waren und ich ein Loch in der Zunge hatte. Die habe ich mir beim Krampfen immer durchgebissen.
Einmal ging ich ins Bett und stand dann wenig später im Wohnzimmer meiner Eltern. Es war spät und meine Mama wollte gerade ins Bett gehen, als ich auftauchte. Sie sprach mit mir, aber ich reagierte nicht. Als sie dann genauer hin sah, sah meine Mama, dass mir Blut aus dem Mund lief. Da war ihr klar, dass ich eine Unterzuckerung hatte und mir sicherlich wieder auf die Zunge gebissen hatte.
Heute merke ich meine Unterzuckerungen wieder ganz gut. Nervig sind sie trotzdem. Der nächste Tag schlaucht oft, wenn man nachts aufstehen musste, um sich Kohlenhydrate reinzuschaufeln. Eigentlich braucht sowas wirklich niemand! Also weg damit!
Wenn ihr eure Unterzuckerungen nicht mehr merken solltet, sprecht unbedingt mit eurem Diabetologen oder eurer Diabetesberaterin. Dann wird es Zeit für ein CGM und/oder eine Schulung für eine Hypowahrnehmungsstörung!
Die willkommene Unterzuckerung
Unterzuckerungen sind eigentlich nie willkommen. Was heißt eigentlich? Nein, sie sind nie willkommen! Punkt! Aber, manchmal sind Unterzuckerungen, na sagen wir mal, weniger nervtötend. Es ist nicht so, dass ich auf irgendwas verzichte, weil ich Diabetes habe.
Wenn ich etwas bestimmtes essen möchte, dann mache ich das in der Regel und spritze einfach dafür. Es war aber auch schon so, dass ich gerade ziemliche Lust auf etwas Süßes hatte. Und wenn sich dann gerade eine Hypo anbahnt, nun ja. Halb so wild. Dann kann man erst recht mal zuschlagen. Als Kind habe ich mit Sicherheit mal die Ausrede benutzt „Aber ich war niedrig!“ 😉
Die unwillkommene Unterzuckerung
Wie wir schon festgestellt haben sind Unterzuckerungen immer unwillkommen. Niemand möchte sie freiwillig haben und den richtigen Moment gibt es auch nicht. Aber manchmal scheinen solche Hypos echt Gespür fürs Timing zu haben – nein, so gar nicht! Am besten direkt vor einer mündlichen Prüfung, während einer Klausur, beim Autofahren, bei einem Auftritt… die Liste ist eigentlich endlos. Ich bin in solchen Momenten dann wirklich gereizt und werde schnell aggressiv. Nichts passt mir dann und keiner kann es mir recht machen!
Die mit dem Fressflash
Kennt jeder, oder? Manchmal hat man solche Hypos, die ein richtig schönes warmes Gefühl im Bauch verursachen. Nur plötzlich ist es nicht mehr so schön, der Bauch brennt und alles, an was du denken kannst ist „Essen, ich brauche Essen!“ Dann wird wahllos in sich hineingestopft. Und zwar nicht solange, bis die 2-3 BE geschafft sind, um aus der Hypo zu kommen, sondern solange, bis dein Bauchgefühl dir sagt „es reicht, du bist auf der Sicheren Seite.“ Dieses Gefühl kann dann auch mal nach 10 oder 15 BE erst eintreten. Und was hat man davon? Einen mächtigen Hyper. Aber sein wir doch mal ehrlich, manchmal muss das sein, oder?
Ich habe aber herausgefunden, dass man den Fressflash ein bisschen trainieren kann. Wenn man ihn ignoriert und versucht vernünftig zu bleiben, tritt er danach viel seltener auf.
Die emotionale Unterzuckerung
Bei einer Unterzuckerung durchlaufe ich manchmal ganz verschiedene Gefühle. Meistens bin ich einfach nur genervt von der Situation. Manchmal bin ich so genervt, dass ich aggressiv werde und alle Leute um mich herum anschreie. Manchmal werde ich aber auch nervös und bekomme richtig Panik.
Aber es geht auch anders: Es gibt diese Unterzuckerungen, bei denen ich total albern werde und unkontrolliert über alles lache. So, als wäre ich betrunken. Ich rede dann auch genauso viel Mist. Mein Freund findet diese Unterzuckerungen zwar ein bisschen amüsant, aber im Großen und Ganzen genauso nervend wie die, bei denen ich aggressiv werde. Denn bei den albernen Hypos ist es manchmal ganz schön schwierig mich zum Trinken oder Essen zu motivieren. Wie ein Betrunkener, den man ins Bett bringen möchte.
Zwar kann ich meine Hypos grob kategorisieren, aber am Ende sind alle Hypos anders. Schön sind sie eigentlich nie und das Thema Hypo ist wahrscheinlich deswegen so unerschöpflich.
Hier eine kleine Liste anderer Beiträge über das Thema „Hypo“:
Diab-beat-this: 8 Arten von Unterzuckerungen
Carolin Sand: Situationen einer Hypo, die nur Diabetiker verstehen.
Katharina Weirauch: Das ABC meiner Hyposyntome.
Heike Wolf: Mein Kopf ist leer! Wie Hypos einen aus der Bahn werfen.
Olivia Peters: 4 Anzeichen für eine Hypo
Pharma Export meint
Thank for the awareness of symptoms and treatment.Nice Post
Froschkoenig84 meint
Hallo Lisa, hallo Peter (und alle anderen),
auffällig ist, dass ich jeden einzelnen deiner beschriebenen UZs bereits separat erlebt habe, auch wenn ich meist so einen Mix aus verschiedenen Kategorien erlebe. Oft abhängig von den grundliegenden Ursachen. So extrem individuell sind meine UZs jedoch nicht. Bei mir spielt die Situation zwar mit ein, aber ich kann relativ sicher voraussagen (oder im Nachhinein erklären), was und warum es passiert.
Bei mir ergänzt das momentane Befinden den Zucker mehr, als die andauernde Situation:
1) Wenn ich müde bin, spüre ich UZ meist etwas verzögert.
2) Je nach Hunger, kann ich UZs schneller oder langsamer bekämpfen.
3) Sport/Bewegung wirkt meist dann besonders, wenn ich motiviert bin, teilweise wirkt Sport aber auch „GAR NICHT“. 🙁
4) Wenn ich gut gelaunt bin oder gerade humorvoll bin, werde ich im UZ albern.
5) Wenn ich geschlaucht/sauer/erschöpft bin, wirke ich ehr überzuckert und bemerke die UZs oft nur zufällig und zu spät.
Aber ich habe noch etwas interessantes erlebt…
Meine UZs (auch die ÜZs) haben sich im Laufe der Jahre verändert.
Während ich in meiner Jugend tolle Werte, aber selten schwere UZs hatte, lag ein durchschnittlicher Tag zwischen 140 – 80. Dementsprechend hatte ich auch vorbildliche HbA1c-Werte (6.0 – 6.5).
Danach hatte ich ein paar Jahre einen zu hohen HbA1c, da ich im Alter zwischen 24-27 quasi überhaupt nicht mehr auf meinen Zucker geachtet hatte und nur noch geschätzt (sehr selten gemessen hatte). Es war eine verzögerte Trotzphase, als meine damalige Freundin nach 6 Jahren mit mir Schluss gemacht hatte, da sie meine – hin und wieder – schweren UZs nicht länger ertragen wollte, aber auch meine ziemlich aggressiven Reaktionen darauf (ich wurde extrem unfair und streitsüchtig). Psychologisch habe ich da mal ein paar Tests mit einer Psychologin (die Tochter eines bekannten Münchener Diabetologie-Chefarztes) gemacht, die Ergebnisse waren aber kaum überraschend. Na ja, egal… In dieser Zeit hatte ich dann durchschnittlich Werte auf Rekord-Niveau (HbA1c: 12.6) und ich habe trotzdem leicht zugelegt. Irgendwann bemerkte ich, dass ÜZs zwar schlaffe Muskeln verursachen, aber die Gefahr durch UZs umzukippen entsprechend gering halten. In dieser Zeit sah ich wohl aus wie eine Leiche und habe mich auch etwa genauso motiviert am Leben beteiligt. Ich verkroch mich in meiner leeren Wohnung und verließ diese nur noch zum Arbeiten.
Dann bin ich – als junger Programmierer – einer damals gerade aufsteigenden, jungen und frischen politischen Internet-Partei beigetreten (ich will hier keine Werbung machen, aber ich denke, ihr könnt euch vorstellen, welche ich meine). Dort hatte ich plötzlich viele Menschen um mich herum, die ähnliche Interessen hatten und ich fühlte mich in der Lage, anderen gegenüber zuzugeben, dass ich Diabetiker sei. Die wollten dann natürlich sofort wissen was das genau ist, wie das funktioniert und worauf sie im Notfall achten müssten. – Also holte ich nach über drei Jahren mein Testgerät raus und stellte fest, dass ich einen 580er-BZ hatte. Auch wenn meine neuen Freund sicherlich nicht einschätzen konnten, wie krass dieser Wert eigentlich ist, war es mir unheimlich peinlich. Ich dachte darüber nach, wieder etwas häufiger zu messen. Außerdem war meine Insulinpumpe in die Jahre gekommen und nach 7½ Jahren tadellosem Einsatz, wollte ich es keinesfalls riskieren, ihren 10. Geburtstag zu feiern zu müssen.
Wenige Wochen später lernte ich in eben dieser Partei meine spätere Frau kennen. Und ich hatte plötzlich wieder einen Grund, meinen Zucker in den Griff zu bekommen, weiterzuleben, alt zu werden. Schon wenige Monate später zog sie bei mir ein (ihre WG hatte ich aufgelöst, sie musste sich kurzfristig etwas neues suchen und ich hatte eine ziemlich große, günstige, aber leere Wohnung, mitten in München, direkt an der U-Bahn – es fiel mir leicht, sie davon zu überzeugen). – Ich hatte gerade meinen ganzen Diabetesschrank (bzw. ein Fach darin) etwas modernisiert (abgelaufene Teststreifen weggeworfen, neue besorgt und sogar wieder ein BZ-Mäppchen angelegt).
Ich ging also zu meinem Hausarzt, um mir eine neue Pumpe verschreiben zu lassen, doch wer mit einem 12.6er-HbA1c kommt, braucht nicht damit zu rechnen, dass die Kasse ihn unterstützt. Ich habe mir also einen professionellen Diabetologen gesucht, bei dem eine Diabetikerin die Diabetesberatung übernahm, damit ich nicht wieder Gefahr laufen würde, meine Werte zu verschleiern. – Ich habe mich dann relativ selbständig neu eingestellt und bin innerhalb von einem halben Jahr von 12.6 auf 6.2 gerutscht. Hatte aber auch einige UZs dazwischen und ich nahm weiter zu. :/
Zwar bekam ich meine neue Pumpe und meine Werte blieben langfristig stabil. Aber ich hatte auf einmal meine UZs nicht mehr so gespürt, wie früher. Kein Kribbeln mehr zwischen den Fingern, kein Kitzeln mehr in den Kniekehlen, auch das klassische Zittern im Bauch oder das belegte Gefühl auf der Zunge war plötzlich weg. Ich verspürte einen Druck im Kopf, bis dann plötzlich der Sehnerv etwas nachließ und schwups war ich unter 50. :/ Oft merkte ich den UZ überhaupt nicht. Meine Freundin reagierte in dieser Zeit ziemlich oberlehrerhaft und ich verschloss mich ihr und weigerte mich meinen UZ zuzugeben (obwohl ich ihn dann tatsächlich bemerkte), weigerte mich sogar etwas zu essen, verließ einmal sogar im Streit die Wohnung und verbrachte wütend Zeit im Keller. Dort hätte alles mögliche passieren können, auch wenn ich ein Jubin dabei hatte. – Ich will gar nicht darüber nachdenken, welche Sorgen sie sich um mich gemacht haben musste. Sie kam dann nach 10min hinunter um nach mir zu sehen, fand mich auch und erteilte mir erneut eine Standpauke (die ich sicherlich verdient hatte), jedoch verschloss ich mich nun noch mehr und wurde bestimmt verbal ziemlich unfair. Ich folgte ihr dann aber nach kurzer Überredung und half mir dann in letzter Minute selbst.
Ich musste lernen, dass meine UZs nun ganz anders wirkten, als früher. Auch psychologisch. Viel weniger deutlich und ich konnte nicht mehr auf Risiko setzen, da ich ja viel zu spät bemerkte, falls es wirklich ernst wurde. In dieser Zeit hätte ich beinahe meine zweite und zu dem wichtigste Beziehung in den Sand gesetzt. Aber diesmal sollte mir das nicht passieren. Ich habe versucht mich in sie hineinzuversetzen und zu verstehen, dass sie mir ja nur helfen wollte. Das hat mehrere Jahre gedauert. – Ein wenig ärgerte es mich immer noch, dass sie wie ein Diabeteshund bereits viel früher bemerkt, dass ich unterzuckerte, bevor ich es selber spüre. Einem anderen Diabetiker gegenüber zuzugeben, dass man eventuell einen UZ hat, war einfach, da man sagen konnte, dass er wusste, worauf zu achten war. Aber einem Laien gegenüber zuzugeben, dass er früher feststellen konnte, als man selbst, dass man einen UZ hatte… das fiel mir sehr schwer.
Sie bemerkte bei mir die Anzeichen auf gleiche Art wie ich bei anderen Diabetikern. Also den glasigen und stieren Blick, das untypische Verhalten, ein leichtes Lallen beim Sprechen und den üblichen Blödsinn, den man im Unterzucker verzapft, so als hätte man drei bis vier Guinness zu viel getrunken. Auch das Schwanken – wobei einem das meist selber auffällt – bemerkte sie immer mit großer Sorge. Oft leider etwas panisch und das kann ein Diabetiker leider gar nicht gebrauchen, wenn er unterzuckert. – Eine Person die keine Ahnung hat, panisch wird, Rumstresst und dann alles besser weiß. :/
Leider kämpfe ich auch ab und an mit nächtlichen UZs und die führten dann auch dazu, dass sie (inzwischen mehrfach) den Rettungsdienst gerufen hatte, da ich nur sehr benommen oder auch gar nicht mehr reagiert habe. Wenn sie es nicht schaffte mich aufzurichten, um mir Jubin, Cola, Eistee (aus Granulat sehr dick angerührt) oder EnergyDrink in die Hände zu geben oder ich auch nicht mehr durch Strohhalme trinken konnte, rief sie den Notarzt. – Okay, sie hatte auch nicht die Erfahrung, dass ein Diabetiker nach einiger Zeit Wachzustand wieder ein paar Reserven nutzen kann, um „halb-klare“ Momente zu erreichen. – Leider fiel es mir sehr schwer, sie im Nachhinein davon zu überzeugen, dass ein UZ nicht zwangsläufig zum UZ-Koma, Krampfanfällen oder zerbissener Zunge führen muss.
Ich hatte ihr aber versprochen, dass ich – egal wie es mir geht – immer wenn sie sagt, ich solle testen, auch teste. – Notfalls sollte sie es wie ein Spiel aussehen lassen, in dem sie wettete, dass ich einen Wert unter 50 hätte und ich ihr mit dem Testgerät das Gegenteil beweisen sollte (sie sollte es in der Öffentlichkeit nur bitte nicht zu auffällig machen). Mit der Zeit stellte sich heraus, dass sie eigentlich fast immer Recht hatte und sie realisierte auch, dass die Zeit – solange ich wach und ansprechbar bin – für gewöhnlich ausreicht, um mich zu versorgen. 1 oder 2 mal musste sie mir jedoch auch vor dem TV auf dem Sofa oder in der Badewanne etwas zu Trinken bringen, da ich wirklich Schwierigkeiten gehabt hätte, aufzustehen.
Das Fazit ist, dass ich meine UZs auf folgende Ursachen in folgenden Situationen aufteilen kann und entsprechend der Kombination auch unterschiedlich spüre, wie schlimm es um mich steht:
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– Ursache (Sport, Insulin, Essen)
– Wirkung (schnell, normal, langsam)
– Situation (abgelenkt, gestresst, schlafend)*
//*ich vermute, dass bei Frauen auch der Hormonzyklus als weitere Situation Einfluss nehmen kann
Fakt ist, … Unterzucker sind manchmal leichter und manchmal schwerer zu erkennen, darüber hinaus verändert sich die Wahrnehmung je nach Situation, das Risiko je nach Geschwindigkeit der Wirkung und natürlich das Verhalten des Betroffenen.
Leider verändert sich diese Wahrnehmung mit der Zeit und man lernt alle 10-15 Jahre völlig neue Symptome kennen. Das lässt sich trainieren ist aber nicht immer einfach.
Zugegeben, ich mag meine Unterzucker. Ich weiß, dass das völlig dumm klingt, aber in den meisten Fällen zeigt es mir, dass ich noch am Leben bin. – Ich mag natürlich nicht hilflos umkippen, aber wenn ich Sport mache und dann einen 50er-Wert teste und leicht zittrig bin, … zeigt es mir, dass ich gerade wirklich Einfluss auf meinen Zucker hatte und nicht andersherum. Es macht mich ein wenig zum Gebieter über meine „Krankheit“. Oft genug kommt es ja leider vor, dass es genau andersherum ist. – Ich habe gelernt, dass ich weder Über- noch Unterzucker provozieren sollte. Oft wünsche ich mir, unabhängig von Technik und Aufmerksamkeit zu sein. Aber den Diabetes von heute auf morgen zu heilen… ich glaube er würde mir irgendwie auch fehlen. Ich kann mit Zucker und Insulin meine Stimmung etwas beeinflussen, ich habe – im Gegensatz zu vielen Nicht-Diabetikern – ein unglaublich gutes Gespür zu meinem Körper aufgebaut, ich bin top geschult, was Ernährung betrifft und im Vergleich zu einem Asthmatiker, geht es mir erstaunlich gut, da ich nahezu alles machen kann, was ich machen will.
Nur zwei Sachen stören mich… ich möchte genauso lange leben (ohne Spätschäden), wie ein gesunder Mensch und ich falle anderen ungerne zur Last (wenn ich beispielsweise in die Alpen fahre, um dort zu wandern, wäre es viel zu gefährlich, das allein zu tun). 🙁