Triggerwarnung: Dieser Text beinhaltet Symptomatik und Auswirkungen von Essstörungen und Insulin-Purging. Solltest du aktuell an einer Essstörung erkrankt sein, könnte der nachfolgende Text triggernd wirken.
Bulimie (Ess-Brechsucht) sagt heute wahrscheinlich fast jedem etwas. Gerade junge Mädchen sind gefährdet an einer Essstörung zu erkranken. Aber eigentlich zieht sich dies durch alle Geschlechts- und Altersklassen. Der Begriff Diabulimie hingegen verursacht oft noch Stirnrunzeln und fragende Blicke. Sogar bei Ärzten.
Fixierung auf die Ernährung
Ab dem Tag der Diabetes-Diagnose spielt Essen und Ernährung eine wichtige Rolle im Leben . Man muss bei jeder Mahlzeit, jedem kleinen Snack, darüber nachdenken, wie es berechnet wird. Wieviel Kohlenhydrate hat mein Essen? Ist es fettig? Wieviel muss ich dafür spritzen? Muss ich mein Insulin eventuell verzögern?
Das, was sich Essgestörte oft jahrelang hart antrainieren ist für uns Menschen mit Diabetes lebenswichtig. Ich sehe nicht einfach nur einen Teller mit Essen vor mir, sondern auch immer Zahlen.
Dazu kommen besondere Momente wie:
Man verrechnet sich, oder fällt aus anderen Gründen in den Unterzucker und muss sich Zucker zuschaufeln, ohne das man essen möchte oder Hunger hat.
Oder zu der Unterzuckerung gesellt sich der liebe Heisshunger und wir essen bis uns schlecht wird. All das kann das Verhältnis zu Essen stören.
Der Körper steht oft im Mittelpunkt
Oft wird man beim Quartalsbesuch beim Arzt gewogen und gemessen (zumindest als Heranwachsender) und nicht selten kommen Gewichtsveränderungen auch in der Sprechstunde nochmal zur Sprache.
Was oft vergessen wird:
Nach der Diagnose ist es normal, wenn man etwas zunimmt. Doch der Körper holt sich nur das zurück, was er vorher verloren hat. Durch den erhöhten Blutzucker vor der Diabetes-Diagnose verlieren die Betroffenen oft an Gewicht. Die Glukose aus der Nahrung wird nicht weiter gespeichert & verwertet, da dem Körper das Hormon Insulin fehlt.
Hinzu kommt der Stress, den eine Krankheit wie Diabetes nun mal so mit sich bringt.
Frustration, Druck, Demotivation, Inakzeptanz, sogar Depressionen sind häufig Themen bei Typ 1 Diabetikern, wie bei eigentlich jeder chronischen Erkrankung ist es einfach ein Einschnitt in das bisherige Leben, so wie man es kannte.
Es ist also gar nicht so verwunderlich, finde ich, dass viele junge Typ 1 Diabetiker immer häufiger in den Sog einer Essstörung geraten. Denn:
Die Quote an Erkrankten bei Typ 1 Diabetikern ist am höchsten.
Diabulimie äußert sich wie die bekannte „Bulimie“
Oft wird bei Fressattacken alles in sich hineingestopft. Unkontrolliert der Bauch vollgeschlagen, bis nichts mehr reinpasst. Prompt meldet sich das schlechte Gewissen und das Essen wird erbrochen.
Eine andere Art der Diabulimie ist das Insulin-Purging. Wie ihr wisst, habe ich genau das noch vor ein paar Jahren selbst praktiziert.
Beim Insulin-Purging wird absichtlich das lebenswichtige Insulin verringert oder ganz weggelassen.
Macht Insulin dick?
Ein häufig verbreitetes Gerücht ist, dass Insulin dickt macht. Das stimmt so nicht.
Insulin ist ein Hormon (genauer ein Wachstumshormon). Es sorgt dafür, dass die mit der Nahrung aufgenommene Glucose in unsere Zellen transportiert wird.
Ohne dieses lebenswichtige Hormon würden wir Typ 1 Diabetiker am lebendigen Leib verhungern. Nichts von dem, was wir essen, würde unser Körper aufnehmen.
Deswegen scheiden in diesem Fall die Nieren all die Kalorien über den Urin aus. Aus diesem Grund wird Insulin-Purging auch „Erbrechen über die Nieren genannt“.
Bei einer guten Einstellung nimmt man aber nicht vom Insulin zu.
Nach der Diagnose holt sich der Körper oft nur das zurück, was er vor der Diagnose verloren hat.
Bedenkt: Jeder stoffwechselgesunde Mensch hat Insulin in seinem Körper. Daran kann es also nicht liegen.
Gerade die Umstände nach der Diagnose, wenn man etwas zunimmt, deprimieren viele. Und oft kommt man von ganz alleine auf den Gedanken: „Vor der Diagnose habe ich abgenommen. Wenn ich weniger Insulin zur Verfügung habe, müsste das doch wieder passieren“.
Ein gefährliches Spiel mit dem Leben.
Man muss nicht wie ich im ketoazidotischen Koma landen, um körperliche Probleme zu bekommen.
Schon ein länger erhöhter HbA1c erhöht das Risiko auf Folgeerkrankungen.
Die Nieren können beschädigt werden und sowohl eine Retinopathie (Erblindung) als auch eine Polyneuropathie (Nervenschädigungen bis hin zur Amputation) können entstehen. Die Haare und Zähne fallen aus, auch die Fingernägel werden brüchig. Abszesse und Neurodermitis können sich bilden und sogar das Herz wird stark belastet.
Man fühlt sich gar nicht gut. Krank, schlapp und unmotiviert überhaupt noch das Haus zu verlassen, sich mit Freunden zu treffen.
Ist es das alles wert?
Nein!
Mit einer guten Einstellung, gesunder Ernährung und Bewegung können wir Typ 1 Diabetiker genau so abnehmen, wie jeder normale Mensch auch.
Ein Teufelskreis
Ein Gespräch mit dem Arzt ist dann unabdingbar. aus Erfahrung kann ich sagen: „Bleibt hartnäckig, wenn dieser das Verhalten als „Null-Bock-Phase“ abtun will!“
Vielleicht hat es etwas mit fehlender Motivation dem Diabetes gegenüber zutun, aber hinzu kommt ein gestörtes Verhältnis zum Essen und zum eigenen Körper. Aus einer ignoranten Haltung oder „Null-Bock-Phase“ kann außerdem auch schnell eine Essstörung resultieren. Ansetzen, bevor es schlimmer wird!
Symptome für eine beginnende Essstörung
Angehörige können beobachten, dass die Betroffenen
Hilfe in einer Psychotherapie
An einer Essstörung zu erkranken ist nichts, wofür man sich heutzutage schämen muss.
Ich selbst bin seit meinem 14. Lebensjahr in therapeutischer Hilfe und wollte lange Zeit nicht einsehen, dass ich diese wirklich brauchte. Heute ist mir dies klarer denn je.
Wichtig für Angehörige in solchen Situation ist, den Betroffenen keine Schuld zuzuweisen oder ihn zu sehr unter Druck setzen. So ein Verhalten liegt nicht an mangelnder Intelligenz, sondern rührt von einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper. Und das kann in der heutigen Welt, mit ihrem Schlankheitswahn & Perfektionismus, jeden von uns treffen.
Wichtige Links & Hilfe
Anja Beverburg meint
Hallo Lisa,
ist der Blog kostenfrei? Gruss Anja
Lisa meint
Hallo Anja, was genau meinst du damit? Als Leser ist er absolut kostenfrei. Ich nehme kein Geld und verdiene auch nicht an meinem Blog (ein paar Kooperationen findest du schon, diese sind dann aber gekennzeichnet). Als Blogbetreiberin zahle ich für meinen Blog. Kurzgesagt: Mich kostet er etwas. Dir, als Leser kostet hier nichts etwas 😉
Anja Beverburg meint
Hallo Lisa, meine Nicht bloggt seit ein paar Tagen ab, will nicht über BLZ reden, wir sind noch am Anfang der Behandlung.
Hat von Mittwoch , auf Donnerstagnacht gebrochen, hätten am Donnertag den dritten Termin in der Uniklinik gehabt (Psychosomatik).
Konnten den Temin nicht war nehmen, haben nächste Wochen einen Neuen.( Sie macht keinen BLZ und Insulin nach Bedarf)
Wie war das bei Dir?
Liebe Grüße Anja
Anja meint
Sorry, „Diabulimie“…;-)
Anja Beverburg meint
Hallo Lisa,
meine Nichte hat Diabulemie, ich finde es super, dass dies angesprochen wird, wir sind noch am Anfang, der Behandlung…
Ich finde auch das Du es richtig gemacht hast, alles öffentlich zu machen.
Du kannst Stolz auf Dich sein.
Lg Anja
Lisa meint
Hallo Anja, vielen Dank für deine Nachricht! Das macht Mut! Wenn du Fragen hast oder etwas brauchst, melde dich gerne bei mir! Alles gute für deine Nichte! 🙂
Liebe Grüße
Lisa
Sanni meint
Hallo zusammen, ich (36) habe seit 10 Jahren Typ I. Das Phänomen der Gewichtsabnahme bei Insulinmangel kenne ich. Einmal von der Zeit der Unklarheit bis zur Anamnesestellung und auch immer mal wieder in schlechten Phasen.
Aber neben dem langfristig hohen Preis gibt es doch auch sehr unangenehme kurzfristige Begleiterscheinungen in solchen Tagen/Wochen.
Ketongeruch, Pilzinfektionen, unreine Haut, Müdigkeit/Schlappheit/….
Es ist ja nicht so, als wenn das nur der langfristige (gerne verdrängte) Schaden ist.
Bei mir ziehen Gott sein Dank diese sehr unangenehmen Nebenwirkungen. Einer Freundin ist mal aufgefallen, dass ich Mundgeruch hatte. Das ist mein mit größter täglicher M0tivator, keine Ketonbildung zu haben.
Nehmt ihr diese unangenehmen Nebenwirkungen in kauf oder tauchen die gar nicht immer auf?
Ich wünsche euch alles gute: Mir hat eine Therapie „Akzeptanz der Erkrankung“, der LibreSensor und ein Klinikaufenthalt in einer Fachklinik geholfen.
8,5 ist natürlich immer noch kein optimaler Langzeitwert…I keep on Working 😀
gisela meint
Also ich muss sagen es stimmt nicht ganz das man nicht zunimmt bin seit 25 schwere Diabetiker und nicht zum einstellen habe Werte zwischen 30 und 600 seit 7 Jahren trage ich die pumpe und habe fast 40 Kilo zugenommen und ich kann machen was ich will ich gehe regelmäßig ins Fitnesscenter bin auf dauerdiät und ich nehme nicht ab
Lisa meint
Viele Diabetiker nehmen nach der Diagnose oder nach der Einstellung auf die Pumpe zu, das habe ich von einigen gehört. Ich schrieb nur, dass es nicht ausschließlich am Insulin liegt. Insulin ist ein Hormon, das jeder menschliche Körper produziert und das jeder Mensch hat. Dann liegt es an der Einstellung und der Dosierung des Insulins. Grundsätzlich macht das Hormon Insulin aber nicht dick. Bei einem Diabetiker gibt es viele unterschiedliche Faktoren, die die Gewichtszunahme auslösen, nicht das Insulin alleine. Das meinte ich nur 😉
Theresa Kempe meint
Hi,
Ich kenne das Problem leider auch zu gut…
Vor 2 Jahren bin ich auch ins diabetische Koma gefallen, weil ich unbedingt und um jeden Preis abnehmen wollte. Erst nichts mehr gegessen, dann nicht mehr gespritzt und habe extrem viel getrunken. Gespritzt habe ich nur noch, wenn ich es vor Durst nicht mehr ausgehalten habe. Ziemlich dämlich, wie ich leider viel zu spät eingesehen habe. Als ich aus dem Koma erwachte, merkte ich, dass ich an beiden Fersen einen Dekubitus Grad 3 hatte. (Ist zum Glück wieder abgeheilt) Ich hätte nie gedacht, dass es mir in so jungen Jahren (21) so dreckig gehen kann.
Das ist es nicht wert, auch wenn man aussieht wie ein Topmodel…
Susanne meint
Durch ständige Abhängigkeit vom Thema Essen, ist eine Essstörung vorprogrammiert. Bei mir kam noch hinzu, dass die zuständigen Ärzte mir über 3 Monate lang die Verschreibung von Insulin und Messstäbchen aus nicht nachvollziehbaren Gründen versagten. Da ist die Essstörung UNAUSWEICHLICH!
Inga meint
Die Freundin eines Jungen aus meiner Klasse ist Diabetikerin und leidet schon seit Jahren an Essstörungen und Magersucht. Keine schöne Kombination. Sie fällt in (mehr oder weniger) regelmäßigen Abständen immer mal wieder ins diabetische Koma und bekommt ihre Krankheit einfach nicht in den Griff.
Ich kenne ja beides aus meinem direkten Umfeld. Mein Bruder als Diabetiker und eine sehr gute Freundin hat eine Essstörung (die sie aber mittlerweile, zum Glück, sehr gut im Griff hat) und ich weiß, wie schwer beides sein kann. Wenn sich diese beiden Krankheiten auch noch vereinen… Ich glaube, man kann nur erahnen, wie schwer es für dieses Mädchen sein muss. Da ist es ein großes Glück, wenn man so einen tollen Rückhalt von Familie und Freunden erfährt.
Ich finde es toll, Lisa, wie offen du mit deiner Krankheit umgehst, darauf aufmerksam machst und sicherlich auch ein Vorbild für andere bist! 🙂