Lange Zeit war eine Insulinpumpe für mich unvorstellbar. Nach jahrelangem Arzt-, Insulin-, und Einstellungswechsel blieb fast nur noch die Möglichkeit es mal mit einer Pumpe zu probieren. Diese könnte mir jedenfalls helfen weniger Blutzuckerschwankungen zu haben und meinen HbA1c-Wert zu verbessern. Mir lief es kalt den Rücken herunter. Ich verneinte mit heftigem Kopfschütteln. Eine Pumpe wolle ich nicht. Auf gar keinen Fall! Meine Eltern hatte der Arzt schneller überzeugt und immer wieder musste ich mich der Pumpendiskussion in meiner Praxis und zu Hause stellen. Ich blieb bei meiner Meinung.
Zu dieser Zeit hatte ich eine Klassenkameradin mit Typ 1 Diabetes. Sie trug eine Pumpe und erzählte mir ebenfalls immer wieder von den Vorteilen. Ich blockte ab, wollte nichts mehr von einer Pumpe hören. „Die spinnen doch alle und außerdem das ist meine Sache“.
Ein Kasten, der permanent an mir hängt, ein Schlauch in meinem Bauch. Was mache ich beim Duschen? Beim Feiern? Wenn ich ein Kleid trage? Was mache ich beim Schlafen und – was, wenn ich mal einen Freund habe?
Meine Freiheit war mir wichtig
Was mache ich mit der Pumpe, wenn ich mit jemandem intim werden möchte? Man kann die Pumpe zwar abklemmen, aber in meinen Augen zerstörte dies jegliche Romantik. Und die Pumpe einfach dran lassen? Das würde erst recht nicht funktionieren, oder!?
Und sowieso, würde man mich mit Pumpe sexy finden? Würden nicht eher Fragen auf mich einprasseln? Würde ich nicht plötzlich krank wirken? Immerhin so krank, das ich einen Schlauch im Bauch und dieses Gerät an mir hängen habe…
Mit 18 wurde ich schließlich überredet und ich ließ mich auf eine Pumpen-Probephase ein. Zwar hatte ich keinen Freund, kam im Bett aber trotzdem nicht besonders gut mit der Pumpe zurecht. Nachts hielt sie mich wach, weil ich auf ihr drauf lag. Sie störte, sie wickelte sich um meinen Körper oder fiel aus dem Bett. Als die Probephase zu Ende war, gab ich sie freiwillig wieder ab. Meine Werte blieben zudem genau so wie vorher, sodass nun auch der Arzt keine Vorteile mehr sah. Die leidige Diskussion hatte ich also hinter mir.
„Ich bin bereit!“
Seit einem halben Jahr trage ich nun aber eine Schlauchpumpe, freiwillig. Mit 26 entschied ich mich freiwillig dafür (ein Jahr zuvor sollte es erst noch eine Patch-Pumpe sein). Ich war endlich so weit und dieses Mal klappte es sogar richtig gut.
Natürlich hatte ich auch dieses Mal Angst, dass es mit meiner Pumpe und mir im Bett nicht laufen würde. Außerdem hatte ich nun tatsächlich einen Freund. Deswegen redete ich vorher mit ihm und fragte, was er von meiner Entscheidung hielt. Auch er war etwas skeptisch, was die Pumpe und unsere intimen Momente anging, sagte aber klar: „Wenn die Pumpe dein Leben erleichtert, dann musst du das machen. Alles andere kriegen wir auch hin!“ Natürlich war es letztendlich meine Entscheidung, die er auch nicht im geringsten hätte beeinflussen können, aber selbstverständlich kamen auch diese Gespräche auf.
Schon in der ersten Nacht hatte ich keine Probleme mit dem Schlauch oder dem Kasten an mir dran. Es war wohl wirklich eine Kopfsache. Als ich die Pumpe von vornherein ablehnte, funktionierte es nicht. Nun, da ich mir die Pumpe gewünscht hatte, lief alles wunderbar.
Pumpe und Schlafen
Beim Schlafen liegt die Pumpe nun immer einfach neben mir im Bett. Ich habe einen etwas längeren Schlauch gewählt (80cm), da ich mich in der Nacht viel herumwälze. Das war ein Grund, warum ich immer Angst vor einer Pumpe hatte. Aber wisst ihr was? Es funktionierte. Egal, wie oft ich mich drehe, die Pumpe kommt einfach mit. Manchmal wache ich morgens auf und die Pumpe ist um meinen Bauch gewickelt, oder ich muss erst einmal am Schlauch ziehen, damit ich die Pumpe im Deckengetümmel finde.
Schmerzen habe ich beim „Hinterherziehen“ oder „Umwickeln“ nicht, und es stört mich auch nicht. Schon nach der ersten Nacht fiel mir ein Stein vom Herzen. Vielleicht liegt es daran, dass ich dieses Mal um die Pumpe kämpfen musste und froh war, sie endlich zu haben. Da sieht man mal, was für eine Rolle der Kopf bei dieser Sache spielt.
Pumpe und Sex
Wenn ich mit meinem Freund intim werde, lasse ich die Pumpe meistens dran. Uns stört sie nicht, sie liegt meistens einfach neben mir. Wenn die Pumpe mal die Seite wechseln muss, nimmt sie einer von uns beiden kurz in die Hand. Der Romantik schadet das nicht.
Manchmal mache ich die Pumpe auch ab. Meine vorherige Angst, dass das Abklemmen den Moment zerstört, kann ich nicht bestätigen. Es geht wirklich so schnell, nur ein Bruchteil einer Sekunde, dass der Partner das manchmal gar nicht mitbekommt.
Ob die Pumpe beim Sex nun dran oder ab soll, kann ich hier für niemanden beantworten,. Das ist wahrscheinlich je nach Situation und Vorlieben anders. Beides funktioniert gut und tut weder der Diabeteseinstellung noch der zwischenmenschlichen Situation keinen Abbruch.
Ob die Pumpe ab oder dran soll, hat manchmal aber auch noch einen ganz anderen Hintergrund, den ihr beachten solltet:
Sex ist Sport
Denn die Pumpe beim Sex abzuklemmen ist manchmal auch gar keine so schlechte Idee, wenn man seine Blutzuckerwerte im Blick hat. Man betätig sich ja mal mehr, mal weniger körperlich, aber da kann es auch schon mal heiß hergehen. Wenn ich nun meine Pumpe abklemme, macht es meinem Körper oft nichts aus, dass die Insulinzufuhr gekappt wurde.
Wichtig ist dabei aber, das ihr vorher nach eurem Blutzuckerwerten guckt. Bei Werten im Zielbereich oder sogar etwas zu niedrig könnte man die Pumpe ruhig einen Moment abklemmen,. Wie lange ihr die Pumpe ablässt liegt aber ebenfalls an den Werten. Also nicht vergessen, die Pumpe rechtzeitig wider anzulegen!
Wenn es eher ruhig vonstattengeht, muss ich schon gucken, dass ich die Pumpe hinterher relativ schnell wieder anklemme. ebenso bei erhöhten Werten, da lasse ich sie lieber gleich dran.
Ich muss aber wirklich sagen, das sich Sex je nach Intensität wie Sport auf den Körper auswirkt. Also egal, ob die Pumpe nun an- oder abgekoppelt ist: Achtet auf eure Werte! Habt im Zweifelsfall Hypohelfer griffbereit!
Hilfe eine Hypo!
Eine Hypo ist natürlich immer doof. Aber vielleicht sogar ganz besonders ungelegen, wenn man gerade intim wird. das ist dann blöd gelaufen! egal wie schwer die Hypo nun ist, reagieren müsst ihr in jedem Fall!
Manchmal reicht es schnell etwas zu trinken und es kann weitergehen. Es kann aber auch sein, dass das den Moment zerstört und entweder ihr oder euer Partner erstmal nicht weitermachen kann oder möchte. Das ist ok. Lasst euch Zeit, redet vielleicht kurz darüber und versucht es etwas später nochmal. Ist die Hypo schon sehr weit fortgeschritten kann es selbstverständlich auch sein, das ihr einfach viel zu groggy seid. Ärgert euch nicht, das kann passieren und ist kein Weltuntergang.
Zu viel Kopfsache?
Das klingt jetzt vielleicht so, als ob ich euch raten würde, dass ihr alle paar Minuten euren Wert checken sollt, aber das meine ich gar nicht.
Ein weiterer wichtiger Tipp, den ich euch geben möchte ist: Habt Spaß, genießt den Moment! Das ist super wichtig. geht nicht zu verkopft an die Sache heran, alles wird gut! 😉
Ihr seid Profis! Für euren Körper und für euren Diabetes! Niemand kennt euren Körper und euren Diabetes besser als ihr und ihr wisst, m was ihr tut! Achtet also einfach ein bisschen auf eure Werte und vertraut auf euer Wissen und euer Gefühl, ob ihr die Pumpe nun ab oder dran lasst, wie lange sie abbleibt und ob ihr Hypohelfer griffbereit haben solltet.
Fazit
Sex und Schlaf waren die zwei Hauptpunkte, warum ich mich lange gegen eine Pumpe wehrte, aber ich habe den Schritt gewagt und festgestellt, dass meine Angst vollkommen unbegründet war.
Schlaf und Sex sind mit einer Insulinpumpe gut zu vereinbaren, wenn man es will. Der Kopf spielt dabei eine große Rolle. Man sollte es auf jeden Fall ein mal probieren und offen sein.
Reyfakt- Blog des Lebens meint
Ich kann dies gut nachvollziehen, eine Pumpe am eigenen Leib zutragen ist im ersten Moment wahrscheinlich sehr erschreckend und ist wohl mit einer psychischen Belastung verbunden. Da einmal meinen ganzen Respekt 🙂 !! Eine echt schöne Story 🙂
Dein Reyfakt vom Blog des Leben
https://reyfakt-blog.jimdo.com/
Anke meint
Hi! Tolle Story! Könnte von mir sein! Mir ging es damals genau so. Nun trage ich meine Pumpe seit 17 Jahren und geb sie niemals wieder her! Und meinen Partner stört die Pumpe auch nicht.
Liebe Grüße
Swantje meint
Hej Lisa,
Ein toller, mutiger Beitrag-vielen Dank!!?
Miki meint
Durch die Blume wurde ich das auch immer mal gefragt, dann hab ich immer gesagt „stört in keiner Lebenslage“. Und so sehe ich das auch. Habe sogar ein paar Kurzzeit-Begleiter verschlissen (in der Anfangszeit) und niemanden, wirklich NIEMANDEN hat das gestört. Kurze Erklärung, einmal angucken, anfassen, erledigt. (ich glaube, Männer sind da „einfach“, vllt. ist das andersrum ein ganz bissel erklärungsbedürftiger). „Damals“ (1996) war sie noch nicht mal abkoppelbar, ich glaube erst ein paar Jahre später… da ist es ja mega-einfach…
Schön, dass du nun endlich eine Pumpe in dein Leben gelassen hast 🙂 Da hilft auch kein Beratschlagen von außen, man muss es wohl einfach wollen.
Viel Spass wieterhin 🙂
Martin meint
Meine Diabetologin hat mir auch eine Pumpe empfohlen, allerdings sehe ich mehr Nach- als Vorteile. Dennoch bedanke ich mich für die umfassenden Einblicke.
Caro Raduga meint
Ein wirklich toller Beitrag, iCh empfinde es genau so! LG Caro
kleiner Himmel meint
Danke für deinen intimen Einblick – in Gedanken bereite ich mich auch auf eine Pumpe vor und genau diese zwei Punkte (Schlaf und Sex) spuken mir auch im Kopf rum. Richtig überzeugt bin ich noch nicht, aber um ein paar Informationen reicher!
Danke