Nach langer Zeit habe ich mich wieder im Fitnessstudio angemeldet. Als ich neulich das erste Mal dort war und meine Basalrate schon vorher um einiges reduzierte, stieg mein Blutzucker während des Sportes immer weiter. Also stellte ich meine Basalrate wieder auf 100%. Trotzdem kletterte er immer weiter in die Höhe und landete irgendwann bei über 300mg/dl und ich fühlte mich mittlerweile auch richtig schlecht. Zu Hause habe ich dann gleich einen Ketontest gemacht, der auch prompt zweifach positiv ausfiel. Wahnsinn. Ich wusste zwar, dass das bei mir sehr schnell passiert, aber durch die schweren Unterzuckerungen in letzter Zeit war ich beim ersten Sport sehr vorsichtig. Das mein Blutzucker aber gleich so ausflippt, hätte ich nicht gedacht.
Was war passiert?
Körperliche Aktivität lässt den Blutzucker sinken. Das wissen wohl die Meisten von uns, doch warum ist das so und warum steigt manchmal der Blutzucker? Das möchte ich heute erklären und habe noch ein paar Tipps für euch.
Doch vorweg ist es ganz wichtig, dass ihr wisst, dass jeder Mensch und jeder Diabetes anders ist. Was für mich perfekt beim Sport funktioniert, muss nicht für andere funktionieren. Da sind wir alle ganz individuell. Ich möchte euch lediglich kleine Hilfestellungen geben, die man ausprobieren kann, wenn das mit dem Sport noch nicht so ganz klappt. So einfach ist das nämlich auch gar nicht, zumindest bei manchen von uns.
Wieso fällt der Blutzucker bei körperlicher Aktivität?
Auch im Ruhezustand oder beim Denken verbrauchen wir Energie. Eigentlich passiert das permanent. Damit unser Körper und alle Funktionen einwandfrei laufen, muss unser Körper Energie gewinnen, die er verbrennen kann. Je nach Anstrengung kann das eben viel oder wenig Energie sein. Durch Essen führen wir unserem Körper Energie zu, die er dann verbraucht. Zusätzlich kann unser Körper aus den Fettzellen Energie ziehen, wenn anderweitig keine zur Verfügung steht.
Gerade bei körperlicher Aktivität wie Sport verbraucht unser Körper mehr Energie als im Ruhezustand. Diese Energie gewinnt unser Körper aus Glukose, die er aus dem Glucose und Fett-Speicher unserer Zellen zieht. Sind diese Speicher aufgebraucht fällt unser Blutzucker und auch unsere Leistung. Dann ist es wichtig, dass wir neue Energie von außen zuführen, in Form von Kohlenhydraten.
Und wieso steigt er manchmal?
Sport und körperliche Belastung können auch Stress für den Körper bedeuten, dass führt dazu, dass unser Körper Stresshormone ausschüttet. Gerade beim Sport passiert das in Form von Adrenalin. Diese Hormone sorgen dafür, dass unser Blutzucker wieder einsteigt. Sie sind Gegenspieler von unserem Insulin. Wie stark diese Hormonausschüttung ausgeprägt sein kann, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Ich selbst benötige tatsächlich erst einmal aktives Insulin für den Sport.
Auch die Leber schüttet bei Anstrengung Glukose aus, um unseren Körper immer mit Energie zu versorgen. Auch das kann manchmal dazu führen, dass der Blutzucker vorerst steigt.
Muskelaufbaueffekt
Beim Sport werden also unsere Energiespeicher geleert und aufgebraucht. Doch unser Körper ist immer bestrebt diese Speicher für den Notfall voll zu laden. Deswegen kann es auch noch Stunden nach dem Sport zu Unterzuckerungen kommen. All die Energie wird erst einmal eingelagert und gespeichert, anstatt sie sofort zu verbrauchen. Es ist also wichtig, dass ihr euren Blutzucker auch nach dem Sport noch im Blick behaltet. Es kann sein, dass ihr weniger Insulin benötigt. Gerade in der Nacht arbeitet unser Körper daran die Speicher aufzufüllen, deswegen ist dann Vorsicht geboten. Auch mit Korrekturen solltet ihr deswegen nach dem Sport etwas behutsamer sein.
Besonders bei Kraftsport ist dieser Effekt noch etwas größer bzw. hält länger an, als wenn ihr nur Ausdauersport betreibt.
Wann solltet ihr lieber keinen Sport machen
Bei einer Unterzuckerung solltet ihr kurz pausieren und warten, bis die Kohlenhydrate anfangen zu wirken (schnelle Kohlenhydrate zuführen!).
Bei einem Ausgangsblutzucker von über 250 mg/dl wäre es sinnvoll zu testen, ob ihr auch schon Ketone habt. Denn bei Ketonen ist von Sport definitiv abzuraten. Denn durch die Ausschüttung der Leber würde der Blutzucker dann nur noch weiter steigen.
Ein guter Wert, um mit dem Sport zu beginnen? Auch das muss jeder für sich selbst herausfinden, eine gute Basis liegt aber etwa bei 150-180 mg/dl. Achtet auch darauf, dass euer Blutzucker vor dem Sport nicht fällt sonder lieber stabil oder leicht steigend ist, wenn ihr ein rtCGM oder das Freestyle Libre besitzt.
Tipps?
Generell Tipps zu geben ist schwer und allgemein gültige Hinweise zu geben fast unmöglich, da wir alle unterschiedlich sind.
Da hilft nur eins: Herumprobieren. Die Meisten setzen schon vor dem Sport ihre Basalrate herunter. Denkt daran, dass euer Insulin einen bestimmten Wirkungshöhepunkt hat. Ist dieser z.B. nach zwei Stunden, solltet ihr eure Basalrate bereits vor dem Sport herabsetzten. Um wie viel und wie lange, das ist nun die Sache von jedem einzelnen (erfahrungsgemäß passiert dies im Rahmen von minus 20-80%). Auch hier müsst ihr wieder daran denken, dass der Muskelaufbaueffekt dafür sorgt, dass ihr auch Stunden später noch sehr insulinempfindlich sein könnt.
Mit dem Pen ist das meistens noch etwas schwieriger. Hier sollte Sport tatsächlich schon längerfristig geplant werden. Dann könnte man die Basaldosis oder den letzten Bolus herabsetzen. Je nachdem, wie es für euch am besten funktioniert.
Eine weitere gute Idee ist die der Sport-BE. Um einen starken Blutzuckerabfall zu verhindern kann man vor dem Sport eine schnelle Sport-BE essen. Viele nehmen dafür Fruchtmus und schwören darauf – oder eben flüssig in Form von Saft.
Auch während des Sportes solltet ihr immer ausreichend Not-BE dabei haben. Am besten schnell wirkende Kohlenhydrate wie Traubenzucker, Gele oder Säfte.
Pro-Tip: Je besser ihr im Training steht, desto mehr gewöhnt sich nicht nur euer Körper an den Sport, sondern auch der Diabetes. Die Vorsichtsmaßnahmen, die ihr vorher immer getroffen habt, können irgendwann „zu vorsichtig“ sein. Macht ihr immer den selben Sport, müsst ihr euer Insulin wahrscheinlich weniger reduzieren, als bei einer völlig neuen Sportart.
Wohin mit dem Diabetes-Zeug?
Wir Menschen mit Diabetes müssen dann doch ein paar Dinge beachten und auch bei uns haben, wenn wir Sport treiben. Das ist nicht immer einfach. Besonders, weil viele Sportkleidungen keine Taschen haben – ja Herrgott, wieso eigentlich???
Was sollte man also alles dabei haben und wo kann man es verstauen? Ich trage eine Pumpe und ein rtCGM, habe also Pumpe und Sensor sowieso an meinem Körper dabei. Wenn eins von beiden mal nicht halten sollte, habe ich immer einen Ersatz-Katheter im Schrank und Fixiertape in meiner Tasche. Solltet ihr noch kein rtCGM oder ein Freestyle Libre haben, ist es sicher zumindest im Schrank oder der Tasche ein Blutzuckermessgerät dabei zu haben. Ihr solltet besonders vor dem Sport wissen, wo euer Blutzuckerwert liegt.
Dabei habe ich also immer meine Pumpe, mein Handy mit der Dexcom G6-App und den Rileylink für mein DIY-Closed Loop-System*. Lange habe ich nach einer guten Sporthose gesucht, die auch Taschen hat, damit ich alles verstauen kann. Tatsächlich wurde ich bei Amazon fündig. In die Taschen der Hose kommt also: Handy, Insulinpumpe und Rileylink.
Außerdem solltet ihr immer genügend BE’s bei euch haben. Diese verstaue ich in meinem Towell+-Handtuch. Oben ist eine kleine Tasche, die ich absolut liebe! Dort findet Traubenzucker, Caprisonne und meine Fitnessstudio-Karte platz. Außerdem habe ich immer ca. 2 Liter zu trinken bei mir (Leitungwasser mit 1 BE Apfelsaft, oder Leitungswasser mit Brausetabletten (Magnesium)), meine Apple-Watch als Fitnesstracker inkl. Glukosewert von Dexcom und Bluethootkopfhörer.
*Zur Zeit trage ich den Dexcom G6 mit einem DIY- Closed Loop System. Dies trage ich auf eigenes Risiko & empfehle es nicht! Das Beschriebene stellt in keiner Weise eine Therapieempfehlung dar und sollte nicht nachgemacht werden. Sämtliche Ausführungen zur Verwendung eines Closed-Loop-Systems dienen nur der Information.
Habt ihr eher das Problem, das euer Blutzucker steigt?
Ich habe für mich mittlerweile herausgefunden, dass ich am besten vor dem Sport eine Kleinigkeit esse. Es reicht eine schnelle BE, wichtig ist nur, dass ich dafür ganz normal spritze. Habe ich aktives Insulin im Blut, steigt mein Blutzucker nicht so schnell an. Allerdings muss ich dann nach gut ¾ des Sportes anfangen meine Basalrate zu reduzieren und diese bis zum nächsten morgen reduziert lassen.
Es hat wirklich sehr lange gedauert, bis ich so für mich den richtigen Weg gefunden habe und nicht immer funktioniert er.
Gebt also nicht so einfach auf und probiert, probiert, probiert. Aber seid vorsichtig dabei und kontrolliert genug euren Blutzucker. Gerade genügend Werte können helfen den richtigen Weg schneller zu finden. So hilft zum Beispiel ein kleines Sporttagebuch in dem ihr Werte vor, während und nach dem Sport dokumentiert und euch ebenfalls notiert, ob ihr etwas gegessen habt, wie viel Insulin aktiv ist und welche Sportart ihr gemacht habt.
Ich selbst mache zwar Sport, bin aber auch nicht der absolute Experte auf diesem Gebiet. Natürlich gibt es aber auch einige Diabetes-Blog, die sich genau auf dieses Thema spezialisiert haben.
Wenn ihr also noch mehr darüber erfahren wollt, schaut doch mal auf diesen Blogs vorbei:
Heiner meint
Hallo Lisa,
wie immer ein toller und interessanter Beitrag.
Wichtig ist aber noch zu erwähnen, dass es Situationen gibt, in denen der Blutzucker komplett anders als gewohnt reagiert.
Ich selber bin Ruderer und trainiere mehrmals die Woche. Hier stelle ich ca. 1 Stunde vor dem Sport meine Basalrate auf 50% und halte
diese auch noch 2 Stunden nach dem Sport. Mein Ausgangswert liegt (sofern ich das hinbekomme) bei 160 mg/dl.
Wenn es aber zu Regatten, also Wettbewerben geht, muss ich meine Basalrate auf 130% stellen, da dort im Gegensatz zum normalen Training
die Adrenalinausschüttung kommt. Direkt nach dem Rennen stelle ich meine Rate wieder für 2 Sunden auf 40%.
Für Sportler die also auch an Meisterschaften teilnehmen ist es also wichtig, das Training und die Meisterschaft getrennt voneinander
zu analysieren. Eines ist ganz klar: ist der Blutzucker zu hoch, sinkt die Leistungsfähigkeit rapide.
LG
Heiner
Dennis meint
Hi Lisa,
ein sehr interessanter Blogpost!
Ich bin seit 2000 Typ1-Diabetiker und seit 2006 mit Pumpe unterwegs.
Vor 3 Jahren habe ich mit regelmäßigem Sport angefangen, weil ich unbedingt abnehmen wollte.
Ich gehe nun 3 mal pro Woche ins Fitnessstudio und mache Kraftsport.
Dabei versuche ich einen Ausgangs-BZ von 150-180mg/dl zu haben. Außerdem drehe ich die Basalrate für ca. 3 Stunden auf 85% herunter.
Damit fahre ich sehr gut und hatte bisher keine Probleme mit Hypos.
Zudem möchte ich erwähnen, dass der Sport meine BZ-Werte deutlich verbessert hat.
Mein HbA1c ist von 7,x auf konstanten 6,3-6,5 abgesunken.
Viele Grüße
Lisa meint
Hallo Dennis! Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hoffe, dass ich auf so einen HbA1c auch noch komme. Ich versuche auch schon seit ca. 3 Jahren regelmäßig Sport zu machen. Es gibt Phasen, da schaffe ich es tatsächlich bis zu 5 Mal die Woche, aber in diesem Jahr, musste ich das leider erst mal ganz herunterfahren und fange wieder neu an. Ich hoffe, dass ich das bald so gut hinbekomme wie du, das klingt richtig gut!
LG
Lisa