Ein Toast auf das Leben
einen Platz, auf dem man einmal so sein kann,
wie man ist, wer man ist
-Kettcar
In der letzten Zeit habe ich ein bisschen über Freundschaften nachgedacht. Der Hauptgrund ist eine ziemlich persönliche Sache, die mich immer wieder mal beschäftigt, obwohl ich eigentlich damit abschließen wollte. Ja, sollte. Aber so einfach, wie andere Personen das anscheinend manchmal können, kann ich es nicht. Für mich sind Freundschaft und Familie so ziemlich die wichtigsten Säulen meines Lebens. Deswegen habe ich auch nicht super viele Freunde, sondern nur ein paar. Dafür aber richtig gute und welche, die seit Jahren bestehen. So habe ich eine beste Freundin, zwei sehr enge Freunde und ungefähr eine Handvoll weiterer guter Freunde. Menschen, mit denen man lachen und reden kann. Mit denen man sich mal öfter, mal weniger trifft. Aber wenn, dann ist es immer schön und so wie früher. Alle anderen, Menschen die man hier mal da trifft, mit denen man sich gut versteht und auch mal feiern geht, sehe ich eher als gute Bekannte. Vorerst.
Mir fällt es schwer neue Freunde zu finden
In der Stadt, in der ich momentan lebe, gibt es sogar niemanden, den ich als Freund bezeichnen würde (na ja, außer meinen Freund natürlich). All meine Freunde kommen aus meiner Heimatstadt und ich kenne sie seit Jahrzehnten. Welche aus dem Kindergarten, andere aus der Grundschule und den Rest lernte ich in der siebten Klasse, 2003, kennen. Alle Freundschaften die danach entstanden, verliefen sich leider auch bald wieder, aber diese blieben. Das mag vielleicht für einige traurig klingen, aber ich finde das vollkommen in Ordnung. Ich brauche nicht so viele Menschen in meinem Leben, aber ich brauche Menschen, auf die ich mich verlassen kann. Leider habe ich natürlich auch schon schlechte Erfahrungen gemacht, weswegen ich vielleicht heute auch etwas verschlossen wirken mag, wenn man mich kennenlernt.
Natürlich habe ich absolut nichts dagegen neue Leute kennen zu lernen, das liebe ich und finde ich total spannend und interessant. Aber jemanden wirklich zu einem guten Freund zu machen fällt mir oft schwer.
Vielleicht bin ich nicht besonders gut im „Freund sein“
So kommt es mir zumindest manchmal vor, wenn ich an die Freundschaften denke, die in die Brüche gegangen sind (auch wenn das nicht viele sind). Ich gebe gerne zu, dass ich alles andere als perfekt (nicht mal annähernd) bin und eine menge Fehler mache und das ich gerade in meiner Pubertät ziemlich furchtbar war. ich glaube, da wäre ich nicht mal mit mir selbst gerne befreundet gewesen. Dennoch tat jede Freundschaft, die aufgegeben wurde unheimlich weh. Ich habe an all meinen Freundschaften mit ganzem Herzblut gehangen und es fühlt sich schrecklich an, wenn eine Freundschaft zu Ende geht. Das ist einfach nichts für mich.
Deswegen sind mir meine Freundschaften, die ich noch habe, so heilig und daher bin ich vorsichtig mich zu sehr an neue Menschen zu binden. Verlustängste und so, ihr wisst schon ;.) Aber mir geht es gut damit.
Diabetes Freunde
Früher wollten meine Eltern immer, dass ich andere Kinder mit Diabetes kennenlerne. Fast jede Schulferien verbrachte ich in Krankenhäusern oder auf Diabetesaktionen für Kinder. Ich fand das furchtbar! Ich wollte gar keine anderen Menschen mit Diabetes kennenlernen. Immerhin hatte ich doch meinen Bruder, der auch Diabetes hat. Alleine habe ich mich also nie gefühlt. Aber Ich habe sehr wohl mitbekommen, dass mein Bruder immer einen echt guten HbA1c hatte. Zwischen 5 und 6. Da konnte ich mit meinen 8, 9 oder 10 nicht mithalten. Und so fühlte ich mich immer ein bisschen als Versager, weil ich das nicht so hin bekam. Auf keinen Fall wollte ich noch weitere Kinder kennenlernen, die mir zeigen würden, wie toll sie mit dem Diabetes klar kommen. Nämlich 1000 mal besser als ich.
Außerdem war ich damals noch stark der Auffassung, dass ich mich dann gleich viel „kränker“ fühlen würde. Mit normalen Freunden fühlte ich mich normal, konnte sein wie all die anderen und das gefiel mir. Kein Gerede über Blutzuckerwerte oder BE-Berechnungen – kein Wort über den Diabetes! Ich hatte einfach Angst, dass der Diabetes zu viel Platz in meinem Leben einnehmen würde.
Meine Meinung hat sich stark geändert
Und zwar genau seit es diesen Blog gibt. Seitdem ich diesen Blog führe, habe ich einige andere Diabetiker kennengelernt und ich habe mich nicht schlecht gefühlt, weil ich etwas nicht konnte oder in etwas nicht gut war. Nein, ich fühlte mich verstanden und zugehörig. Endlich sah ich, dass ich mit meinen Problemen nicht alleine war. Das sogar recht viele den gleichen Stress haben wie ich und das ich viel normaler in meiner Diabetestherapie bin, als ich dachte.
Noch viel intensiver wurde es, als ich die Ersten auch real kennenlernen durfte. Es ist wirklich ein gutes Gefühl mit einem Haufen Diabetikern an einem Tisch zu sitzen. Wenn alle über die BE’s und KE’s rätseln, an ihren piepsenden Pumpen herumschrauben und genau wissen, was gerade in deinem Kopf vorgehen muss. Eben wie eine große Familie. Ich fühlte mich gleich geborgen, was auch nicht sehr oft bei mir vorkommt.
Natürlich ist nun nicht automatisch jeder der Diabetes hat mein best Buddie. Ich komme ja auch nicht mit allen Menschen die eine Brille tragen oder blaue Augen haben super zurecht. Die Grundsympathie muss einfach stimmen, wie bei jeder normalen Freundschaft auch. Aber ich habe wirklich den ein oder anderen getroffen, mit dem ich mich richtig gut verstehe und den ich vielleicht später auch mal zu meinen Freunden zählen mag. Ich würde mich zumindest sehr darüber freuen.
Ich trete anderen Menschen mit Diabetes nicht mehr feindselig gegenüber (Feindseligkeit habe ich nach meiner Pubertät allgemein so ziemlich abgelegt, denn ich glaube grundsätzlich erst mal an das Gute in jedem Menschen. Und er muss mich erst einmal vom Gegenteil überzeugen. Nennt mich ruhig naiv :)). Manchmal ist der Austausch mit anderen Diabetikern wirklich toll und manchmal findet man Menschen, mit denen man auch mehr gemeinsam hat oder mit denen man sich auch völlig unabhängig vom Diabetes gut versteht. Deswegen sehe ich den Diabetes heute nicht mehr als Bindeglied zwischen Menschen einer „kranken Welt“, sondern als Bindeglied zwischen vielen verschiedenen Menschen mit einem gemeinsamen Nenner. Er hilft mir andere Menschen kennenzulernen und vielleicht sogar dabei neue Freundschaften zu schließen (eher als die Stadt, in der ich lebe).
Auch Tine von #Icaneateverything hat sich über dieses Thema schon mal Gedanken gemacht. Hier entlang.
Wie seht ihr das?
Freunde die ebenfalls Diabetes haben; eher lästig, vielleicht sogar unnötig, schön und motivierend oder eher so wie ich, „es kommt, wie es kommt“ ?
Reinhard Zölch meint
Hallo suche vor allem Leute die eine Pumpe tragen, die mir helfen können beim einstellen. Auch sonst gerne Kontakte von Diabetikern.
rebecca meint
Oh, deine Zeilen lassen mich an vergangene Zeiten erinnern:) Meine Mutter hat mich zu jener Zeit ebenfalls angehalten Kinder mit Diabetes kennen zu lernen. Allerdings war ich seinerzeit nicht begeistert. Gestört hat mich vor allem die Eingruppierung in das Fach „Krank“ von außenstehenden Personen. Verstehe ich doch unter „Krank“ etwas völlig anderes…Ich denke die Bezeichnung „Kinder, die die gleiche Herausforderung“ haben, hätte mehr gebracht:)
Aber ich freue mich heutzutage mit anderen Gleichgesinnten Austausch zu betreiben. Man kann sehr vieles nachvollziehen, was ein Nicht-Betroffener nicht kann. Und man lernt zudem immer etwas neues über seine Herausforderung und seine Umwelt.
Es ist aber vor allem ein grundlegender Faktor wichtig: die Chemie muss stimmen…Sowie in vielen andersartigen Beziehungen.
Saskia meint
Wir haben uns auch wegen unserem Diabetes kennen gelernt und auch wenn mir unsere Gemeinsamkeiten manchmal Angst machen, hab ich dich lieb gewonnen, wegen deiner Persönlichkeit, hinter der Diabetikerin und das stellt den Diabetes als Grund sich kennenzulernen in ein tolles, positives Licht ♥
Lisa meint
Manchmal ist es gruselig, aber toll gruselig! 😀 ♥︎
Annika meint
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie vielen Menschen es gleich ergeht. Da denkt man, man ist der verkorkste, komischste und schlechteste Mensxh auf Erden, dann liest man andere Blogs und ich persönlich fühle mich gleich nicht mehr allein:)
Danke für diesen schönen Blogpost! Liebe Grüße und bis bald
Annika?
Lisa meint
Das stimmt! Und das ist dann och unheimlich beruhigend 🙂
Ilka meint
Hey,
danke, dass du so ehrlich bist. Du bist sicher nicht die Einzige, der es so geht. Mir persönlich ist es egal, ob jemand Depression, Aids oder Krebs oder Diabetes hat. Ich meinte natürlich nicht EGAL………. Also ich nehme jeden Menschen so, wie er ist……wenn er was Besonderes für mich ist. Ich mag auch Freundschaften ohne Zwang. Der Austausch mit anderen Diabetikern ist für mich auch wichtig. Aber mit Freunden teilt man einfach Kummer und Freud. So ist das………
Alles Liebe für dich
Sabrina meint
Da sprichst mir aus der Seele! Aber auch Diabetes Buddies können sehr enttäuschend sein. Wenn der eine dem anderen alles zerstört 🙁
Lg
Sabrina
Lisa meint
Na klar. Ich würde da keinen Unterschied zur jeder anderen Freundschaft auch sehen. Nur eben, dass der Diabetes eine (weitere) Gemeinsamkeit oder eben der Kennenlerngrund ist.